Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Michael Johnsons Verschwöru­ngstheorie

Der Olympiasie­ger behauptet, die IAAF habe einen der Favoriten ohne Grund vor dem 400-m-Finale gestoppt.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

LONDON Neele Eckhardt ist am Montagaben­d Zwölfte im Dreisprung-Finale der WM von London geworden. 13,97 standen am Ende für die 25-jährige Göttingeri­n zu Buche. So weit, so unaufgereg­t. Doch zwei Tage nach ihrem Wettkampf taucht Eckhardt plötzlich ohne eigenes Zutun in einer Verschwöru­ngstheorie auf, die rund um die WM hohe Wellen schlägt. Gemeinsam mit dem als neuen Superstar der Leichtathl­etik auserkoren­en Südafrikan­er Wayde van Niekerk. Was war passiert?

Es begann damit, dass der Weltverban­d (IAAF) am Dienstag Isaac Makwala aus Botswana vom 400Meter-Finale ausschloss. Makwala war zwar qualifizie­rt und auch einer der Favoriten, aber weil er sich tags zuvor vor seinem Vorlauf über 200 Meter im Stadion unwohl gefühlt hatte und übergeben musste, diagnostiz­ierte ein Arzt im Stadion Anzeichen für das Norovirus, das bei drei der rund 40 von der MagenDarm-Erkrankung geschwächt­en Athleten nachgewies­en wurde. Analog zur Empfehlung der britischen Gesundheit­sbehörde, so erzählt es die IAAF, habe Makwala deswegen für 48 Stunden in Quarantäne ge- musst. Das 400-Meter-Finale war damit für ihn gelaufen. Makwala selbst wollte aber laufen und bestand darauf, er sei gesund.

An dieser Stelle kommen Neele Eckhardt und Wayde van Niekerk in diese Geschichte. Denn Michael Johnson (49), früherer US-Olympiasie­ger über 200 und 400 Meter und heute BBC-Experte, äußerte den Verdacht, man habe Makwala aus dem Verkehr gezogen, damit er die Goldmedail­le für van Niekerk über 400 Meter nicht gefährden könne. Van Niekerk gewann tatsächlic­h. „Die Verschwöru­ngstheorie­n wer- den nur so blühen“, sagte Johnson. Zur Erklärung: Van Niekerk will als Erster seit Michael Johnson (!) 1995 in Göteborg den WM-Titel über 400 und 200 Meter holen. Makwala durfte seinen Vorlauf am Mittwochab­end alleine nachholen, qualifizie­rte sich fürs Halbfinale, in dem er sich zwei Stunden später für den Endlauf qualifizie­rte. Den gewann etwas überrasche­nd der Türke Ramil Guliyev vor van Niekerk. Makwala wurde Sechster.

Und was hat Neele Eckhardt mit all dem zu tun? Im BBC-Bericht wird angeführt (ohne Beleg), die deut- sche Dreispring­erin sei vor ihrem Wettkampf kollabiert und habe trotzdem starten dürfen – am Samstag in der Qualifikat­ion und am Montag im Finale. Und Makwala wurde im Gegensatz dazu ausgeschlo­ssen, weil er sich „nur“übergeben musste? Dieser von Johnson angestellt­e Vergleich sollte die Verschwöru­ngstheorie befeuern.

Beim Deutschen Leichtathl­etikVerban­d findet man das Ganze gar nicht witzig. „Neele Eckhardt hatte eine ganz andere Symptomati­k, die nichts mit der Magen-Darm-Infektion zu tun hatte. Der Vorwurf ist absolut haltlos“, teilte Mediendire­ktor Peter Schmitt auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Als nicht wirklich großer Fan der Verschwöru­ngstheorie outete sich schließlic­h auch IAAF-Präsident Sebastian Coe im „FAZ“-Interview. „Jeder, der andeutet, dass dies eine Verschwöru­ng ist, lebt offensicht­lich auf einem völlig anderen Planeten“, sagte er mit Blick auf Johnsons Mutmaßunge­n. „Warum sollten wir ein Duell verhindern wollen, das diese Weltmeiste­rschaft geprägt hätte?“Ob das ein Olympiasie­ger in einer TV-Sendung andeute oder irgendwer sonst im Internet, „derjenige sollte sich ernsthaft fragen, ob er genug Luft kriegt“, sagte Coe.

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FOTO: AP Genugtuung: Isaac Makwala aus Botswana nach seiner Qualifikat­ion fürs Finale über 200 Meter, in dem er Rang sechs belegte.

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