Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Michael Johnsons Verschwörungstheorie
Der Olympiasieger behauptet, die IAAF habe einen der Favoriten ohne Grund vor dem 400-m-Finale gestoppt.
LONDON Neele Eckhardt ist am Montagabend Zwölfte im Dreisprung-Finale der WM von London geworden. 13,97 standen am Ende für die 25-jährige Göttingerin zu Buche. So weit, so unaufgeregt. Doch zwei Tage nach ihrem Wettkampf taucht Eckhardt plötzlich ohne eigenes Zutun in einer Verschwörungstheorie auf, die rund um die WM hohe Wellen schlägt. Gemeinsam mit dem als neuen Superstar der Leichtathletik auserkorenen Südafrikaner Wayde van Niekerk. Was war passiert?
Es begann damit, dass der Weltverband (IAAF) am Dienstag Isaac Makwala aus Botswana vom 400Meter-Finale ausschloss. Makwala war zwar qualifiziert und auch einer der Favoriten, aber weil er sich tags zuvor vor seinem Vorlauf über 200 Meter im Stadion unwohl gefühlt hatte und übergeben musste, diagnostizierte ein Arzt im Stadion Anzeichen für das Norovirus, das bei drei der rund 40 von der MagenDarm-Erkrankung geschwächten Athleten nachgewiesen wurde. Analog zur Empfehlung der britischen Gesundheitsbehörde, so erzählt es die IAAF, habe Makwala deswegen für 48 Stunden in Quarantäne ge- musst. Das 400-Meter-Finale war damit für ihn gelaufen. Makwala selbst wollte aber laufen und bestand darauf, er sei gesund.
An dieser Stelle kommen Neele Eckhardt und Wayde van Niekerk in diese Geschichte. Denn Michael Johnson (49), früherer US-Olympiasieger über 200 und 400 Meter und heute BBC-Experte, äußerte den Verdacht, man habe Makwala aus dem Verkehr gezogen, damit er die Goldmedaille für van Niekerk über 400 Meter nicht gefährden könne. Van Niekerk gewann tatsächlich. „Die Verschwörungstheorien wer- den nur so blühen“, sagte Johnson. Zur Erklärung: Van Niekerk will als Erster seit Michael Johnson (!) 1995 in Göteborg den WM-Titel über 400 und 200 Meter holen. Makwala durfte seinen Vorlauf am Mittwochabend alleine nachholen, qualifizierte sich fürs Halbfinale, in dem er sich zwei Stunden später für den Endlauf qualifizierte. Den gewann etwas überraschend der Türke Ramil Guliyev vor van Niekerk. Makwala wurde Sechster.
Und was hat Neele Eckhardt mit all dem zu tun? Im BBC-Bericht wird angeführt (ohne Beleg), die deut- sche Dreispringerin sei vor ihrem Wettkampf kollabiert und habe trotzdem starten dürfen – am Samstag in der Qualifikation und am Montag im Finale. Und Makwala wurde im Gegensatz dazu ausgeschlossen, weil er sich „nur“übergeben musste? Dieser von Johnson angestellte Vergleich sollte die Verschwörungstheorie befeuern.
Beim Deutschen LeichtathletikVerband findet man das Ganze gar nicht witzig. „Neele Eckhardt hatte eine ganz andere Symptomatik, die nichts mit der Magen-Darm-Infektion zu tun hatte. Der Vorwurf ist absolut haltlos“, teilte Mediendirektor Peter Schmitt auf Anfrage unserer Redaktion mit.
Als nicht wirklich großer Fan der Verschwörungstheorie outete sich schließlich auch IAAF-Präsident Sebastian Coe im „FAZ“-Interview. „Jeder, der andeutet, dass dies eine Verschwörung ist, lebt offensichtlich auf einem völlig anderen Planeten“, sagte er mit Blick auf Johnsons Mutmaßungen. „Warum sollten wir ein Duell verhindern wollen, das diese Weltmeisterschaft geprägt hätte?“Ob das ein Olympiasieger in einer TV-Sendung andeute oder irgendwer sonst im Internet, „derjenige sollte sich ernsthaft fragen, ob er genug Luft kriegt“, sagte Coe.