Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Dieselskan­dal setzt Merkel unter Druck

Während die Bundeskanz­lerin sich in der Diesel-Debatte zurückhält, will die SPD will mit der Forderung nach einer Quote für Elektro-Autos punkten.

- VON JAN DREBES UND FLORIAN RINKE

BERLIN Der Skandal um den millionenf­achen Abgasbetru­g der Autoindust­rie und das schwache Ergebnis des Dieselgipf­els von Hersteller­n, Bund und Ländern in der vergangene­n Woche bestimmt immer mehr den Bundestags­wahlkampf. SPDParteic­hef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz legte nun einen FünfPunkte-Plan zur Zukunft der Automobilb­ranche vor, um Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) unter Zugzwang zu setzen. In dem Papier schlägt er unter anderem eine feste EU-Zulassungs­quote für Elektroaut­os vor, damit sich deren bisher sehr spärlicher Marktantei­l erhöht.

Merkel beendete gestern wie geplant ihren Sommerurla­ub und nahm wieder erste Termine wahr. Für den Dieselgipf­el am 2. August, bei dem lediglich Software-Updates für Dieselauto­s mit Euro-5- und Euro-6-Norm sowie Kaufprämie­n beschlosse­n worden waren, hatte Merkel ihre Ferien jedoch nicht unterbroch­en. Nach Einschätzu­ng von Politikwis­senschaftl­ern hat sich das zuletzt auch in ihren Beliebthei­tswerten niedergesc­hlagen, auch weil nun bundesweit Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge drohen. Im ARD„Deutschlan­dtrend“rutschte Merkel in dieser Woche um zehn Prozentpun­kte ab, aber auch Schulz büßte wie fast alle Spitzenpol­itiker an Zustimmung ein.

Die SPD will sich daher mit Lösungsvor­schlägen im Dieselskan­dal profiliere­n und ihren Rückstand von gut 15 Punkten (rund 40 zu 25 Prozent) auf die Union wettmachen. Schulz betonte, eine verbindlic­he Mindestzah­l von E-Autos werde ein Anreiz für die Industrie sein. „Diejenigen, die dann am schnellste­n in der Produktion und Entwicklun­g sind, werden diejenigen sein, die diesen Markt für sich erobern“, sagte er. Die Quote solle nicht für die Autobauer gelten, sondern für Neuzulassu­ngen, erläuterte Schulz seinen Vorschlag. Der Staat müsse einen E-Auto-Anteil festlegen, etwa bezogen auf die Einwohnerz­ahl. Eine konkrete Zahl nannte Schulz aber nicht.

Die Grünen reagierten positiv auf den Vorstoß. „Ich freue mich, dass die SPD aus ihrem Tiefschlaf zur Zukunft der Autoindust­rie endlich aufgewacht ist“, sagte Parteichef und Spitzenkan­didat Cem Özdemir . Die Union träume währenddes­sen weiter von klimaschäd­lichen Verbrennun­gsmotoren. „Dabei ist längst klar, dass der fossile Verbrennun­gsmotor auf Dauer keine Zukunft hat“, sagte Özdemir. „Wir brauchen zügig eine Zukunftsko­mmission saubere Mobilität, um die Transforma­tion der Automobilw­irtschaft gemeinsam anzupacken“, forderte der Grünen-Chef. Es gehe um verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen und intelligen­te Anreize, die den Umstieg auf emissionsf­reie Mobilität bis 2030 voranbräch­ten. Einer E-AutoQuote steht die Ökopartei jedoch skeptisch gegenüber.

Dennoch haben SPD und Grüne das Thema für sich im Wahlkampf entdeckt – und das, obwohl in Niedersach­sen die rot-grüne Landesregi­erung mit Stephan Weil (SPD) an der Spitze vor allem in Sachen Dieselskan­dal unter Beschuss steht. Rückendeck­ung erhalten sie von der IG-Metall, deren Vorsitzend­er Jörg Hofmann eine Debatte um einen Strukturwa­ndel und die Sicherung von Arbeitsplä­tzen begrüßte.

Tatsächlic­h könnten sich also SPD und Grüne beim Thema Diesel im Wahlkampf von der Union abgrenzen. Regierungs­sprecher Steffen Seibert teilte gestern mit, die Kanzlerin lege sich in der Debatte um eine E-Auto-Quote noch nicht fest. Jeder Vorschlag, der mehr Dynamik beim Ausbau der E-Mobilität zum Ziel habe, sei „erst einmal willkommen“, sagte Seibert. „Auch wenn ich für die Bundesregi­erung solch eine Forderung nicht vorbringe.“Am Ziel, bis 2020 eine Million EAutos auf die Straßen zu bringen, halte man fest.

Unionsfrak­tionsvize Michael Fuchs (CDU) lehnte eine Quote dagegen klar ab, ebenso wie der Automobilv­erband VDA. Die FDP sprach von „Planwirtsc­haft“. Das Bundesumwe­ltminister­ium erklärte, man gehe davon aus, dass die EU-Kommission im Zuge ihrer Vorschläge zur Begrenzung des Kohlendiox­idAusstoße­s selbst eine Quote vorschlage­n werde. Eine Sprecherin der EU-Kommission hatte allerdings vor einigen Tagen gesagt, Quoten für E-Autos seien nicht vorgesehen, da man andere umweltfreu­ndliche Technologi­en nicht diskrimini­eren wolle.

Unterdesse­n forderte die Präsidenti­n des Umweltbund­esamtes (UBA), Maria Krautzberg­er, die Abschaffun­g des Dieselpriv­ilegs bei der Mineralöls­teuer zu prüfen. Selbst bei Abzug der höheren KfzSteuer für Diesel-Autos mache diese Förderung rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr aus. „Zum Vergleich: Die Förderung für Elektromob­ilität beträgt knapp eine Milliarde – aber bis 2020“, so die UBA-Chefin. Eine EAuto-Quote hält sie für sinnvoll.

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