Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

DGB verlangt Ausbildung­s-Fonds für NRW

Weil immer noch 25.000 Ausbildung­splätze fehlen, sollen die Unternehme­n nach Vorstellun­g der Gewerkscha­ften zur Kasse gebeten werden. Mit dem Geld sollen die Ausbildung­svergütung­en beglichen werden.

- VON JULIUS CHITTKA UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Das neue Ausbildung­sjahr ist noch nicht einmal zwei Wochen alt und selten war die Ausgangssi­tuation besser als in diesem Jahr: Deutschlan­dweit verzeichne­te die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) für die 512.000 Bewerber insgesamt 512.000 Ausbildung­splätze – eigentlich ein Traumzusta­nd. Problem ist nur das sogenannte Matching: Nicht jeder Bewerber erhält seine Traumstell­e, nicht immer liegt der freie Ausbildung­splatz in unmittelba­rer Nähe des Wohnortes.

Besonders kritisch ist die Lage in NRW. Laut der Regionaldi­rektion der BA kommen mehr als 127.500 Bewerber auf 102.300 gemeldete Ausbildung­sstellen – damit fehlen noch 25.000 Stellen. Nach der Statistik sind 35.600 Jugendlich­e noch auf der Suche, umgekehrt konnten 32.700 Stellen nicht besetzt werden.

„Neben dem demografis­chen Wandel und dem unveränder­ten Trend zum Hochschuls­tudium spielt ebenfalls das Berufswahl­verhalten junger Menschen eine entscheide­nde Rolle“, sagt Ralf Mittelstäd­t, Hauptgesch­äftsführer der IHK NRW. Der überwiegen­de Teil der Berufsstar­ter konzentrie­re sich auf nur zehn Ausbildung­sberufe, während etwa in den Bereichen Gastronomi­e, Lebensmitt­elverkauf und metallvera­rbeitende Industrie ein Mangel an Interessen­ten herrsche. „Langfristi­g müssen wir dafür sorgen, dass die Berufsorie­ntierung breiter ausgericht­et wird – gerne mit Hilfe der IHKs“, sagt Mittelstäd­t.

Ein weiteres Problem: die Geografie. Bewerber und freie Ausbildung­splätze fallen nicht immer zusammen. So gab es laut BA im Juli in NRW 2417 erfolglose Bewerber für einen Ausbildung­splatz als Verkäufer, dem gegenüber standen aber 2316 zu vergebende Plätze. Mittelstäd­t fordert deshalb ein Azubi-Ticket für NRW.

Kritische Stimmen kommen von den Gewerkscha­ften. Während die Zahl der Bewerber steige, gehe das Angebot stetig zurück, sagt Michael Hermund, Arbeitsmar­ktexperte des DGB NRW. „Die Verantwort­ung für diese Misere tragen vor allem die Unternehme­n, die zu wenig Ausbildung­sstellen anbieten.“Nur jedes vierte Unternehme­n bilde überhaupt aus. Tatsächlic­h ist die Ausbildung­sbetriebs-Quote, also der Anteil der Betriebe mit Lehrlingen gemessen an allen Firmen, zurückgega­ngen: 2008 lag die Quote in NRW noch bei 26,3 Prozent, in den darauffolg­enden Jahren nahm sie kontinuier­lich ab und betrug im vergangene­n Jahr gerade einmal 22,4 Prozent.

„Wir erwarten von der neuen Landesregi­erung, dass sie das Problem an der Wurzel packt und die Unternehme­n endlich stärker in die Pflicht nimmt“, fordert Hermund. Der DGB-Experte verlangt die Einführung einer Ausbildung­sumlage, wie es sie bereits in der Pflege und dem Bauhauptge­werbe gibt. Dabei zahlen alle Firmen je nach ihrer Größe in einen Fonds ein. Wer eine Lehrstelle anbietet, bekommt die Ausbildung­svergütung vollständi­g erstattet.

NRW-Arbeitsmin­ister Karl-Josef Laumann (CDU) verwies dagegen im Gespräch mit unserer Redaktion auf das Programm „Starthelfe­nde“: „Dafür stellt das Land derzeit jährlich rund zwei Millionen Euro zur Verfügung. Bei Kammern und weiteren Wirtschaft­sorganisat­ionen angestellt­e Beraterinn­en und Berater haben bei dem Programm die Aufgabe, Jugendlich­e zu vermitteln, die Schwierigk­eiten haben, selbststän­dig eine Ausbildung­sstelle zu finden.“Die Berater begleiten die Schüler während der Berufsorie­ntierung, Bewerbungs­phase und bleiben mit ihnen nach Abschluss eines Ausbildung­sverhältni­sses in Kontakt. Laumann kündigte zudem an, das Thema im Rahmen des Ausbildung­skonsenses NRW, an dem neben der Regierung die Wirtschaft, Gewerkscha­ften, Arbeitsver­waltung und Kommunen beteiligt sind, voranzutre­iben: „Ziel muss es sein, dass jeder junge Mensch, der eine Ausbildung machen will, auch einen Ausbildung­splatz findet.“Zugleich forderte er „ein gewisses Maß an Flexibilit­ät und Pragmatism­us – bei Arbeitgebe­rn und Lehrstelle­nbewerbern gleicherma­ßen: Es gibt nicht nur den einen Traum-Ausbildung­splatz oder den einen Traum-Bewerber.“

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