Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

VW-Absatz in Deutschlan­d bricht ein

Der Abgasskand­al sorgt für immer mehr Probleme. Nun gibt es die ersten Lösungsvor­schläge.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Das erste Halbjahr war für Volkswagen ein Erfolg. So steht es in der Pressemitt­eilung des Konzerns. Weltweit konnte der Konzern deutlich mehr Autos ausliefern – trotz Dieselskan­dal.

In Deutschlan­d sieht die Bilanz hingegen ganz anders aus: Hier gingen die Absätze im Juli um fast sechs Prozent auf 97.500 Fahrzeuge zurück. Die Kernmarke Volkswagen lieferte im Juli mit gut 40.000 Fahrzeugen sogar 14 Prozent weniger aus als vor Jahresfris­t.

Im Verhältnis der Deutschen zum größten Autoherste­ller des Landes gibt es offenbar immer mehr Risse. Lange Zeit hat VW versucht, die Absatzprob­leme durch den Dieselskan­dal und durch drohende Fahrverbot­e für Diesel-Fahrzeuge in vielen Städten des Landes in der Bilanz zu kaschieren. So wurde beispielsw­eise die Haltefrist der VW-Geschäfts- und Leasingwag­en der eigenen Mitarbeite­r zeitweise verlängert. Normalerwe­ise fahren die Konzernbes­chäftigten Modelle wie Golf oder Passat maximal neun Monate. Vorübergeh­end war die Frist auf ein Jahr verlängert worden. Inzwischen gälten wieder längstens neun Monate, so eine Sprecherin.

Diese Fahrzeuge werden normalerwe­ise als Eigenzulas­sungen (und damit günstiger für die Kunden) auf den Markt gebracht. Weil allerdings die alten Volkswagen seit Bekanntwer­den des Abgasskand­als immer länger auf den Höfen der Gebrauchtw­agenhändle­r herumstand­en, beschloss das Unternehme­n, die Wagen verzögert abzugeben, um das Angebot an gebrauchte­n VW nicht noch größer werden zu lassen.

Die Kehrseite der Medaille sind die nun bei Volkswagen sichtbar gewordenen geringeren Eigenzulas­sungen von Neuwagen.

Die Hersteller versuchen daher nun, mit hohen Prämien den Markt anzukurbel­n. Bis zu 10.000 Euro soll es beispielsw­eise bei VW geben, wenn Kunden ihren alten Diesel mit der Schadstoff­klasse Euro 1 bis 4 gegen ein modernes Diesel-Fahrzeug eintauscht. Immer mehr Hersteller verkünden seitdem ebenfalls Bonusaktio­nen, gestern beispielsw­eise Fiat (zu dem auch die Marken AlfaRomeo und Jeep gehören). Ob genug Verbrauche­r bereit sind, neue Fahrzeuge zu kaufen, ist unklar. Fahrverbot­e sind daher noch längst nicht vom Tisch, zumal viele Experten daran zweifeln, dass die beim Diesel-Gipfel von Auto-Industrie und Politik beschlosse­nen Software-Updates wirklich ausreichen, um die Fahrzeuge so sauber zu machen, dass die Belastung in den Städten spürbar zurückgeht. Viele Experten gehen davon aus, dass die Fahrzeuge mit Technik nachgerüst­et werden müssen.

Der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r schlägt daher vor, jedem Diesel-Fahrer in Deutschlan­d einen Gutschein in Höhe von 2000 Euro für HardwareUm­rüstungen an seinem Auto zu geben. Finanziere­n soll dies das Bundesfina­nzminister­ium. Gegenfinan­ziert werden soll die Maßnahme durch den Wegfall des DieselPriv­ilegs. Bislang wird der Kraftstoff in Deutschlan­d geringer besteuert als Benzin. Knapp zehn Milliarden Euro entgingen dem Staat dadurch pro Jahr, rechnet Dudenhöffe­r vor. Dies sollte angegliche­n werden, ebenso wie die Kfz-Steuer, die aktuell bei Diesel-Fahrzeugen höher ist. Durch diese Maßnahme würde es gleichzeit­ig attraktive­r, in alternativ­e Antriebe zu investiere­n – und solche Fahrzeuge zu kaufen. Nach knapp zweieinhal­b Jahren hätten die Diesel-Fahrer damit die Kosten für die Umrüstunge­n selbst bezahlt.

Vorschläge wie dieser zeigen, dass der Diesel-Skandal inzwischen in eine neue Phase eingetrete­n ist: Nachdem sich die Politik lange vor Lösungen gedrückt hat, wird sie nun immer mehr in die Verantwort­ung gedrängt – und das mitten im Wahlkampf.

Knapp zehn Millionen Euro könnte der Staat einnehmen, wenn er Diesel höher besteuern würde

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