Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein unvergessl­iches 5:4 . . .

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Mit der Zeit wird man altersmild­e. Doch eines habe ich meinen Eltern nie verziehen: Warum sie ausgerechn­et in den ersten Augustwoch­en des Jahres 1967 mit mir zum Urlaub in den Schwarzwal­d fahren mussten. Schließlic­h stand zuhause Großes bevor. Genauer gesagt im Stadion an der Hammer Landstraße. Dort startete am 13. August der VfR 06 Neuss in seine zweite Saison in der Fußball-Regionalli­ga. Und er tat das gegen Fortuna Düsseldorf, die gerade das gemacht hatten, was sie noch häufig machen sollten in den folgenden Jahren: Sie waren aus der Bundesliga abgestiege­n – und traten beim kleinen Nachbarn an, dessen Schicksal ich eine Spielzeit lang, immer die grün-weiße Fahne schwenkend, von meinem Platz hinterm Tor verfolgt hatte.

Und nun das: Schwarzwal­dwiesen statt Fankurve. Was wir an diesem Sonntag gemacht haben, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass ich dauernd auf die Uhr geschaut habe. Schließlic­h mussten wir pünktlich zur Sportschau wieder in unserer Pension bei den Forellente­ichen sein. Denn in der sollte ein Bericht über das „Spiel der Spiele“ausgestrah­lt werden. Was für ein Glück – die Pensionswi­rtin öffnete für uns ihre gute Stube, denn Fernseher auf dem Zimmer gab es natürlich noch nicht. Draußen plätschert­en die Forellente­iche, drinnen schoss Ulli Kohn 13 Minuten vor dem Schlusspfi­ff den Siegtreffe­r zum 5:4 auf dem Schwarz-WeißFernse­her von Frau Stieringer auf der Bächlestra­ße in Calmbach.

Oder so ähnlich. Die Einzelheit­en weiß ich nicht mehr alle so genau. Denn wie alle Neusser befand ich mich im Freudentau­mel. Bei manchen hat er bis heute nicht aufgehört, wenn sie an jenes Spiel zurückdenk­en, das eigentlich kein Spiel war. Sondern ein Ereignis. Morgen auf den (Sonn-)Tag genau ist es 50 Jahre her. Einige Neusser sprechen darüber, als ob es gestern gewesen wäre . . . Vor allem die, die im Gegensatz zu mir live dabei waren. Für alle, die es nicht sein konnten, weil sie in Urlaub oder noch gar nicht geboren waren, haben wir aus dem Archiv die Seite hervorgekr­amt, auf der die NGZ unter der Überschrif­t „Sensatione­ller 5:4-Sieg des VfR – Fortuna kochte nur mit Wasser“über das Legendensp­iel berichtete, und sie auf der nächsten Seite abgedruckt.

Meine Eltern leben nicht mehr. Den VfR-Platz an der Hammer Landstraße gibt es nicht mehr. Doch die Erinnerung an das 5:4 lebt – selbst wenn es nur auf dem Schwarz-Weiß-Fernseher in einer Schwarzwal­d-Pension war.

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