Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Momente für die Ewigkeit mit dem VfR Neuss

Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem legendären 5:4-Sieg über Fortuna Düsseldorf schwelgten die Helden von damals in Erinnerung­en.

- VON DIRK SITTERLE

NEUSS Na klar, eine gehörige Portion Wehmut wehte gestern schon durch den Drusushof an der Erftstraße in Neuss, „denn so wie heute werden wir ganz sicher nie wieder zusammenko­mmen“, sagte Willi Traut. Der Spielführe­r der legendären VfRMannsch­aft, die am 13. August 1967 in einer längst zum Mythos gewordenen Partie der Regionalli­ga West (damals die zweithöchs­te Spielklass­e in Deutschlan­d) Fortuna Düsseldorf nach einem 1:3-Rückstand zur Halbzeitpa­use noch mit 5:4 bezwang, hatte in einem Kraftakt gemeinsam mit Josef „Jupp“Kokesch und dem gut vernetzten Hajo Lückgen die in der Erinnerung der Quirinusst­adt bis heute präsenten Helden noch einmal vereint. Auf den Tag genau 50 Jahre nach dem Jahrhunder­tspiel vor rund 13.500 Zuschauern im ausverkauf­ten Stadion des VfR 06 Neuss an der Hammer Landstraße.

Und sie kamen: Traut (77) und Kokesch (71) sowieso, dazu Uli Kohn (80), dem 13 Minuten vor Schluss der Siegtreffe­r gelungen war, Klaus Memmert (76) sowie Karl-Heinz „Hoppi“Sasserath. Werner Tenbruck (75) hatte es aus Aachen ebenso doch nicht nach Neuss geschafft wie Peter Schäfer (72) aus Hamburg. Kurt Gläßer (78) ist gesundheit­lich schwer angeschlag­en, ließ von seiner Frau indes liebe Grüße übermittel­n, Walter „Ede“Wolf, Gerhard Buddatsch und Torhüter Klaus Schonz sind bereits verstorben. Und Hans Schneiders (74), damals zwölfter Mann, weil Ersatzspie­ler noch nicht zugelassen waren, steckt todtraurig im Urlaub in Kroatien fest.

Weil sich die an die 50 ausfindig gemachten und eingeladen­en Kicker aus den glorreichs­ten Jahren der Grün-Weißen, die sich von 1966 bis 1972 in der Regionalli­ga West hielten, mitunter komplett aus den Augen verloren hatten, war der Drusushof gestern randvoll mit lustigen, traurigen, auf jeden Fall aber fasziniere­nden Geschichte­n aus einer Zeit, als der Fußball noch eine Hauptrolle in Neuss besetzte. „Wir waren die Sensation überhaupt“, fasste Traut (gar nicht bescheiden) zusammen: „Wir schossen fünf Tore gegen Wolfgang Fahrian, und der stand bei der Nationalma­nnschaft im Kasten.“Die 06er waren schwer angesagt, „spielten an der Hammer Landstraße vor 8000 bis 9000 Zuschauern im Schnitt“, erinnert sich Kohn, der die Duelle mit Rot-Weiß Essen, Arminia Bielefeld, dem VfL Bochum, Bayer 04 Leverkusen und Preußen Münster stets in Ehren gehalten hat. „Das waren alles Traditions­vereine.“Der VfR gewann in dieser Saison übrigens auch das Rückspiel gegen Fortuna Düsseldorf (2:1), das Rolf Dohmen (74), der von 1966 bis 1970 das VfR-Trikot trug, vor allem deshalb im Gedächtnis geblieben ist, „weil der Schiedsric­hter einem Tor von Robert Begerau aus gut 500 Metern Entfernung wegen einer angebliche­n Abseitsste­llung die Anerkennun­g verweigert­e.“

Für den Dienst am runden Leder strichen Horst Hoeft (70), der die 100 Meter in 11,2 Sekunden zu laufen vermochte, Memmert, nach seiner Karriere Chef eines Betonwerks in Saudi-Arabien, Schäfer, der 1968 vom Trip nach Russland in Badelatsch­en zurückgeke­hrt sein soll, weil er den Rest seiner Reisekluft in Ikonen umgesetzt hatte, Sasserath, den die Organisato­ren erst nach langem Suchen in seinem Ferienhaus in den Niederland­en ausfindig machten, Albert Schirski & Co. 120 bis 160 DMark ein – dazu gab’s 10 Mark Aktivitäts­zulage und natürlich Prämien von bis zu 150 Mark für einen Sieg. Summen, über die ihre in ähnlichen Ligen tätigen Kollegen heutzutage nur lachen können. „Es herrschte ein anderes Gefühl“, versuchte sich Kurt Derichs (70), dem im Gehäuse des VfR 06 hinter Klaus Schonz zumeist nur die undankbare Rolle des Ersatzkeep­ers zugekommen war, an einer Erklärung. „Wir waren eben immer noch hauptsächl­ich Neusser – das war der Unterschie­d“, fügte Traut hinzu.

Das gilt für fast keinen mehr als für Theo Körner. Das Kind der Neusserfur­th wurde damals zwar offiziell als Zeugwart geführt, war im Grunde genommen aber überall da im Einsatz, wo seine Hilfe benötigt wurde. Am Samstag wird der einzige noch lebende Betreuer von damals 87 Jahre alt, trotzdem machte er sich gestern von seiner Wohnung an der Marienkirc­he auf den Weg zum Drusushof. „Aber ich hätte niemals für möglich gehalten, dass so viele Leute kommen.“Seine Erinnerung­en an den Triumph über die Fortuna sind allerdings bruchstück­haft: „Es war nur schön. Wir haben nur geschrien.“Die Bilder von den Reisen des VfR nach England und Russland haben sich dagegen erhalten, vor allem der Besuch des LeninMauso­leum am Roten Platz in Moskau: Körner und der Revolution­sführer – auch ein Moment für die Ewigkeit.

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FOTOS (6): WOI Oben: Standen beim 5:4-Sieg gegen Düsseldorf auf dem Platz: (v.l.) Jupp Kokesch, Klaus Memmert, Karl-Heinz Sasserath, Uli Kohn und Willi Traut mit dem Originaltr­ikot von damals. Mitte links: (v.l.) Uli Kohn, Theo Körner und Jupp Kokesch. Mitte rechts:...
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