Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Als Vater Hüsch noch als Fußball-Rowdy galt
Bis zum Triumph über Fortuna Düsseldorf hatte der VfR 06 Neuss auch schwere Zeiten zu meistern.
NEUSS Kaum zu glauben, aber als der VfR Neuss zu Beginn des 20. Jahrhunderts als „NFC 06“auf der Bildfläche erschien, war der Fußball noch ein öffentliches Ärgernis. Die Tore wurden von der Heimelf oft erst eine Viertelstunde vor dem Anpfiff zusammengezimmert – eine im Übrigen recht heikle Aktion, denn Tätigkeiten wie „Toraufstellen“und „Platzmarkieren“galten als Sonntagsarbeit und standen daher unter Strafe, „Mein Vater“, erinnert sich Heinz-Günther Hüsch – der Neusser Rechtsanwalt und ehemalige Bundestagsabgeordnete gehörte zu den glorreichen Zeiten der „Grün-Weißen“dem Aufsichtsrat an –, „war damals Schüler am Quirinus-Gymnasium und dortselbst und deswegen als Rowdy bestraft, weil er Fußball gespielt hatte.“
Aufzuhalten wusste das die Neusser Kicker, die 1919 als „Verein der Sportfreunde von 1906“ihr mittlerweile legendäres Quartier an der Hammer Landstraße bezogen, indes nicht. Angeführt von Spielführer Heinz Morlacke schlug der VdS Karfreitag 1923 im Mönchengladbacher Hohenzollern-Stadion den damals frischgebackenen Westdeut- schen Meister Borussia Mönchengladbach mit 3:0. Zäh und unverdrossen meisterte der Verein alle Krisen, überstand zwei Weltkriege und das verheerende Hochwasser der Silvesternacht 1925/26. Schon kurz nachdem die hereinbrechende Flut die Tribüne an der Hammer Landstraße bis auf eine kleine Spitze unter Wasser gesetzt hatte, errichten die Vereinsmitglieder unter der Regie von Studienrat Matthias Loef an gleicher Stelle einen neuen Sportplatz – den siebten seit 1906. Ab 1945 spielten die Neusser sogar für drei Jahre im Jahnstadion (!). Oberwasser erhielt der VdS, aus dem am 23. Juli 1946 durch die Fusion mit dem SC Neuß von 1911 endlich der Verein für Rasensport 1906 (kurz VfR 06 Neuss) geworden war, 1952, als die überdachte Tribüne fertiggestellt wurde. Im Stadion, ausgestattet mit Faustballfeld, Laufbahn und Sprunggruben, fanden 12.000 bis 15.000 Zuschauer Platz. 1956 war die Zahl der Mitglieder auf rund 750 angewachsen. In der Saison 1960/61 stieg der VfR mit erstklassigen Fußballern wie Schonz, Walter, Winzen, Criens, Wadewitz, Weyerstraß, Derichs, Franz und Josef Hellingrath, Traut und Hähnen in die 1956 neugegründete Verbandsliga auf.
Mit dem Meistertitel 1966 und dem Aufstieg in die Regionalliga West (2. Liga) begann die Glanzzeit der in den Anfangsjahren noch schwarz-weißen Fußballer aus der Quirinusstadt. Die Mannschaft von Trainer Willi Koll: Klaus Schonz, Josef Linnartz, Hans „Men“Neskes, Gerd Buddatsch, Hans Bolzen, Willi Traut, Klaus Memmert, Walter „Ede“Wolf, Jupp Kokesch, Egon Pieper, Hans Schneiders, Werner Tenbruck, Albert Schirski, Otto Blumenschein, Kurt Gläßer und Heinz Gräfer. Der Rest ist Geschichte ... „Ich erinnere mich noch gut an unsere Reise mit dem VfR Neuss nach Russland. In Sotschi haben wir so lange gespielt, bis die Mannschaft unseres Gastgebers gewonnen hatte. Ich glaube, die Nachspielzeit betrug eine Viertelstunde.“Uli Kohn
Siegtorschütze des VfR Neuss beim 5:4-Triumph über Fortuna Düsseldorf.
„Oh, welch ein Malheur, meine Unschuld hat der Frisör.“Rolf Dohmen
Kicker des VfR 06 Neuss von 1966 bis 1971, der seinen Lebensunterhalt mit einem Friseursalon bestritt.
„Ich hätte mein altes Trikot heute gerne getragen, aber es ist mir zu eng geworden. Ist wohl mal zu heiß gewaschen worden ...“Jupp Kokesch
langjähriger Spielführer des VfR Neuss, der zum Treffen der Veteranen im Drusushof sein Originaltrikot vom 5:4-Sieg über Fortuna Düsseldorf mit der Nummer 5 mitgebracht hatte.
„Unser Sieg über Fortuna Düsseldorf war die Sensation überhaupt.“Willi Traut
Kapitän des VfR-Teams vom 13. August 1967.