Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Mein Leben in der Studenten-WG
Seit Kurzem wohnt unser Autor in einer Wohngemeinschaft mitten in der Stadt. Der Weg dahin war alles andere als einfach.
In letzter Zeit türmt sich leider manchmal das schmutzige Geschirr in der Küche. Denn der Geschirrspüler, der wichtigste Helfer des alltäglichen Lebens in meiner Wohngemeinschaft, quittierte jüngst seinen Dienst. Seitdem regelt ein unausgesprochenes Abkommen die Ordnung: Alle paar Tagen erbarmt sich ein WG-Bewohner und widmet sich der lästigen Handarbeit. Dass das dennoch kaum Unstimmigkeiten im Zusammenleben hervorruft, ist nicht unbedingt Usus in Studentenwohnungen. Dass wir überhaupt den Luxus eines Geschirrspülers genossen, erst recht nicht.
Zu verdanken haben wir das der Oma meines Mitbewohners Maik Lutz. Sie schenkte ihrem Enkel das komplette Interieur von Küche und Wohnzimmer ihrer Neusser Wohnung, ehe sie in ein Altenheim zog. Damit legte sie den Grundstein für unsere gemütliche, etwas altertüm- liche Wohnung. Gleichzeitig half sie ihrem Enkel damit aus einer absoluten Notlage. Denn zwei Wochen vor Semesterstart hatte der Politikstudent noch immer keine Bleibe gefunden. „Mit Erhalt der Zusage zum Studienplatz im Juli war ich quasi jede Woche in Düsseldorf auf Wohnungssuche. In dieser Zeit war ich bei über zwanzig Besichtigungsterminen, größtenteils in bestehenden Wohngemeinschaften“, sagt Lutz. Diese Besichtigungen fanden aufgrund des Andrangs meist in Gruppen von bis zu zwölf Personen statt, ein richtiges Kennenlernen war da kaum möglich.
Der letzte Ausweg, um das Pendeln aus dem 120 Kilometer entfernten Vehlingen zu verhindern, war sein Aufruf zur Neugründung einer Wohngemeinschaft auf Facebook. Dadurch waren die Chancen größer, eine bezahlbare Wohnung zu finden, da Miete und Einzugskosten geteilt wurden. Im Nachhinein ein Glücksfall: Die für Studen- ten ideale Lage der gefundenen Wohnung in Stadtmitte passte, ebenso lief es mit dem Miteinander der Bewohner sogleich gut. Als Bonus gab es zwei kostenfreie Monatsmieten obendrauf – allerdings wegen des enormen Renovierungsbedarfs. Da alle frisch aus dem Elternhaus kamen, stellte die Erneuerung der maroden Küchenrohre oder das Entfernen des Schimmelbefalls im Bad zunächst eine ziemliche Herausforderung dar. Angesichts der zeitlichen Not und der 100 Quadratmeter an Wohnraum war das aber ein gern gezahlter Preis.
Das Beispiel von Lutz verdeutlicht die Probleme vieler nach Düsseldorf ziehenden Studenten, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Zwar bietet das Studentenwerk rund 4000 Wohnheimplätze an – darauf bewarben sich allein im Jahr 2016 beispielsweise 6000 Studenten. „Das Problem ist die Miete“, sagt Lutz. Laut aktuellem Mietspiegel liegt der Quadratmeterpreis in den Studenten-Vierteln zwischen neun und elf Euro. Da reicht selbst der höchste Bafög-Satz meist nicht, um ein kleines Ein-Zimmer-Appartement zu finanzieren. Um überhaupt Anspruch auf Bafög stellen zu können, müssen Studenten eine ganze Menge Kriterien erfüllen. Diese beziehen zum Beispiel den familiären Hintergrund oder finanziellen Status der Eltern mit ein. Für Einzelkinder ist es besonders schwer, Geld zu erhalten, es sei denn, die Eltern sind Geringverdiener.
Aber auch mit Bafög ist ein Studium ohne Unterstützung fast nicht zu stemmen. Aus diesem Grund bin ich auch äußerst dankbar über die Zuwendung meiner Eltern, die mir das Leben in Düsseldorf ermöglicht. Geknüpft ist diese Hilfe dabei jedoch an die Bedingung, immer einen Nebenjob inne zu haben.
Wer wie Psychologiestudentin Sophie Scherzer aber zusätzlich zum Studium noch viel von ihrer Freizeit in der Bibliothek verbringen muss, der kann nur noch auf Fördermittel hoffen. Ihr Stipendium der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ist an Leistungskriterien gebunden. Gehört sie nach vier Semestern nicht zu den besten zehn Prozent ihres Studiengangs, werden die Zahlungen eingestellt. Für solch ein intensives Studium wie Psychologie braucht man einen festen Rückzugsort. „Die ersten Semester musste ich alle paar Monate umziehen, weil ich nur zur Zwischenmiete etwas fand“, sagt Scherzer. In der jetzigen Wohnkonstellation kann sie sich nun voll auf ihren Bachelor of Science konzentrieren. Zwischenzeitlich pendelte die gebürtige Bayerin sogar aus Mönchengladbach zur Uni. Wie übrigens auch ein Großteil der mehr als 30.000 Studenten der Heine-Uni.
Fernab der studentischen Probleme wie Bafög-Bürokratie, Leistungsdruck oder kaputten Spülmaschinen ist unser Zusammenleben als Wohngemeinschaft ideal. Nicht nur, dass wir uns beim Studium unterstützen, etwa wenn mal eine Hausarbeit korrigiert oder ein Buch mitgebracht werden soll. Besonders gut lässt es sich auch zusammen abends bei einem Bier im Wohnzimmer abschalten. Oder wenn der Mitbewohner überraschend für die anderen mitgekocht hat. Da fällt der Abwasch auch nach einem langen Arbeitstag leichter.