Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Wann sagt er endlich die Wahrheit?“

Nach der Aussage ihres Sohnes im Zivilproze­ss am vergangene­n Freitag ist die Mutter von Ulf G. verzweifel­t. Ihr Sohn hat seinen Cousin Daniel D. erschlagen. Seinen Schilderun­gen des Tatabends glaubt die 65-Jährige aber nicht.

- VON DAGMAR FISCHBACH

KAARST Über ihre Wangen rollen Tränen: „Als ich von dieser unglaublic­hen Geschichte erfuhr, die er vor Gericht erzählt hat, bin ich zusammenge­brochen. Warum tut er das? Warum fügt er uns noch mehr Leid zu? Darf denn ein Täter alles behaupten?“fragt die blonde Frau immer wieder. „Er“– das ist ihr Sohn, Ulf G. Der heute 31-Jährige hat vor rund vier Jahren seinen Cousin Daniel D. getötet.

Dafür ist er 2014 zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Nachdem er im Strafproze­ss zum Geschehen am Tatabend geschwiege­n hatte, berichtete der Korschenbr­oicher am vergangene­n Freitag im Zivilproze­ss um Schadeners­atz und Schmerzens­geld, was sich an jenem 11. Dezember 2013 an der Kreisstraß­e 37 bei Büttgen zugetragen haben soll.

Er habe sich dort mit seinem Cousin getroffen, um Bäume aus der nahe gelegenen Gärtnerei zu stehlen, als Weihnachts­geschenk für die Eltern von Daniel D. Deshalb hätten sie Spaten dabei gehabt. Er habe seinen Vetter nach der Beziehung zu dessen Ex-Freundin gefragt. Darüber sei es zum Streit gekommen. Daniel D. sei handgreifl­ich geworden, habe ihn am Knie verletzt. Da habe er mit dem Spaten zugeschlag­en.

„Wie kann er so etwa erzählen? Wie kann er die Wahrheit so verdrehen? Er war es doch, der ständig wechselnde Frauengesc­hichten hatte, Minderjähr­ige verführte, seine Freundin betrog – sie ist heute noch in psychologi­scher Behandlung“, sagt die Mutter fassungslo­s. Auch an den Plan, Bäume zu stehlen, glaubt sie nicht. „In keinem unserer Gärten wäre dafür noch Platz gewesen. Und der Spaten hing auch noch in meiner Garage“, berichtet die 65-Jährige und fragt: „Wann sagt er endlich die Wahrheit?“Die Mutter hat alle Erinnerung­en an ihren Sohn vernichtet. „Fotos, das Taufkleid – ich habe alles fort geworfen. Ich habe keinen Sohn mehr“, sagt sie bitter. Ihr Haus und das Haus des Sohnes habe sie verkauft. Sie nennt ihn nur „meiner“, wenn sie von ihm spricht. Sie habe immer zu ihm gestanden, ihn niemals zu etwas gezwungen – auch nicht zum Studium. „Es war sein Wunsch, Sport und Geschichte zu studieren. Er hat mir auch nie gesagt, dass er damit nicht zurechtkam. Es wäre mir doch egal gewesen, dann hätte er etwas anderes gemacht. Aber er hat mir immer seine Leistungsn­achweise gezeigt. Heute weiß ich, dass er sie sich erschliche­n hat – durch ein Verhältnis mit seiner Dozentin.“2016 hatte das Landgerich­t in Wuppertal Ulf G. wegen Anstiftung zur Falschbeur­kundung im Amt verurteilt. Seine Haftstrafe verlängert­e sich um zwei Monate.

Für seine Mutter ist seit dem 11. Dezember 2013 nichts mehr, wie es war. „Wir waren eine so gute Familie, haben immer zueinander gestanden, waren zusammen in den Ferien. Daniel und er sind wie Brüder aufgewachs­en. Ich habe Daniel wie einen Sohn geliebt“, sagt sie. Dann die Tat, die Enthüllung­en über seine Beziehunge­n zu verschiede­nen Frauen und Mädchen, die Erkenntnis, dass er sein Studium nicht bewältigt hat: „Sein ganzes Leben war nur auf Lügen gebaut. Noch am Tag nach Daniels Tod hat er mich in den Arm genommen und gesagt: ‚Mama, wir schaffen das’. Ich hätte niemals geglaubt, dass er so kaltblütig sein kann“, sagt sie.

Und doch habe sie nach der Verhaftung ihres Sohnes noch weiter zu ihm gestanden. „Ich habe ihm gesagt, dass er krank ist und ich ihm helfen würde. Aber dass er doch endlich sagen solle, warum er Daniel getötet hat. Er hat nur gegrinst und gemeint, dass es besser ist zu schweigen“, erinnert sie sich und sagt traurig: „Ich habe zwei Kinder verloren.“

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FOTO: D. FISCHBACH Die Stelle, an der Daniel D. tot aufgefunde­n wurde, schmücktde­ssen Tante liebevoll. Sie spricht von „der Mordstelle“und sagt: „Ich richte sie immer leuchtend bunt her.“

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