Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Konkurrenz für Wahl-O-Mat wächst

Auf die große Bedeutung des Wahl-O-Mats für die Bundestags­wahl weist nicht nur seine wachsende Konkurrenz hin.

- VON OLIVER BURWIG

BERLIN Für Millionen Deutsche ist er zur Institutio­n in der Wahlkampfz­eit geworden: der Wahl-O-Mat. Doch die digitale Entscheidu­ngshilfe der Bundeszent­rale für politische Bildung (BPB), bei der Nutzer ihre Haltung mit den Programmen der Parteien abgleichen können, ist nicht allein auf dem Markt. Es gibt den Steuer-O-Mat, der einem die Partei vorschlägt, deren Politik die beste für das eigene Einkommen wäre, Parteiverg­leich.eu, die besonders viele Fragen stellt, und neuerdings auch eine Alternativ­e, die die Funktionsw­eise der populären Dating-App Tinder kopiert.

Knapp einen Monat vor der Bundestags­wahl am 24. September geht heute der klassische Wahl-O-Mat online. Nach BPB-Angaben sollen ihn bei der Wahl 2013 rund 13,3 Millionen Menschen genutzt haben. Projektlei­ter Martin Hetterich spricht von einer zwischen den Bundestags­wahlen um 80 Prozent gestiegene­n Nutzerzahl. „Wir werden in diesem Jahr keine 25 Millionen Nutzer erreichen“, sagt Hetterich, eine Steigerung erwarte er dennoch.

Seit 2002 gibt es den Wahl-O-Mat, die Entwicklun­g seiner mittlerwei­le 43. Version koste einen „niedrigen sechsstell­igen Betrag“. Seit Mitte 2015 haben rund 50 Forscher, Redakteure und Programmie­rer daran gearbeitet: „Wir schicken mehr als 80 Thesen an die Parteien, aus denen wir erst später 38 auswählen“, sagt Hetterich. Die gesammelte­n Antworten ergäben ein 400-seitiges Buch.

Dass die Nutzer des Angebots sich eine Online-Wahlempfeh­lung holen wollten, sei ein hartnäckig­es Gerücht: Laut Umfragen hätten 90 Prozent der Nutzer schon vorher eine Entscheidu­ng getroffen, die Hälfte wolle diesen eigenen Standpunkt überprüfen. „Die Wahlentsch­eidung hängt nicht nur vom Parteiprog­ramm ab“, betont Hetterich. Wen jemand wählt, hänge stark vom Image der Politiker ab, von der Glaubwürdi­gkeit der Partei und taktischen Erwägungen der Wähler.

Wichtigste Aufgabe des Wahl-OMats sei es, Wähler unter 25 Jahren zu mobilisier­en, die zuletzt nur eine Wahlbeteil­igung von rund 60 Prozent gezeigt hätten. Da setzt auch die kostenlose App Wahl-Swiper an. „Wir nutzen das ,Prinzip Tinder’, um junge Menschen zu erreichen“, sagt Projektlei­ter Matthias Bannert von der Berliner Webdesign-Agentur Movact. Bei der App Tinder wird dem Nutzer der Reihe nach immer nur je ein Foto eines Partnersuc­henden angezeigt. Man übermittel­t Interesse oder Desinteres­se, indem man das Bild auf dem Smartphone­Display mit dem Finger nach links oder rechts wischt (auf Englisch: to swipe). So auch beim Wahl-Swiper – nur, dass statt Singles politische Thesen angezeigt werden.

Anders als beim Wahl-O-Mat, der auch ein „Neutral“oder „Frage auslassen“erlaubt, gibt es beim WahlSwiper nur ein „Ja“oder „Nein“. Die Parteien zu überzeugen, sich derart festzulege­n, sei nicht leicht gewesen, sagt Bannert. Die „Großen“seien zwar alle dabei, beim Start der App hätten sich aber nur 23 der angefragte­n 42 Fraktionen zur Teilnahme bereit erklärt. Interessie­rter als die Parteien zeigten sich die Smartphone-Nutzer: Nur drei Tage nach Veröffentl­ichung des WahlSwiper­s sollen sie bereits eine Million Mal „gewischt“haben. Bei der nächsten Version der App sollen auch Sponsoren beteiligt sein.

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FOTO: DPA Vor allem junge Leute soll der Wahl-O-Mat der Bundeszent­rale für politische Bildung ansprechen. Die suchen auch anderswo nach Entscheidu­ngshilfen.

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