Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Berlins Dirigenten-Karussell gerät in Fahrt

Zwei Orchester bekommen neue Chefs, Rattle bereitet seinen Abschied bei den Philharmon­ikern vor.

- VON ESTEBAN ENGEL

BERLIN (dpa) Sechs Profi-Orchester, drei Opernhäuse­r und dann noch die Philharmon­ie: Berlin gilt als Zentrum der klassische­n Musik in Europa. Das hat auch mit den Dirigenten zu tun, die an der Spitze der Ensembles stehen. Mit der neuen Spielzeit dreht sich das Postenkaru­ssell an mehreren Orchestern der Stadt, die Philharmon­iker spielen mit einem Chef in Teilzeit, und Daniel Barenboim kehrt in die frisch renovierte Staatsoper Unter den Linden zurück.

Seit Wochen lächelt Robin Ticciati von den Plakaten auf die Passanten. Der Brite tritt am 26. September als Chefdirige­nt des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) an. Ticciatis jugendlich­es Bild bringt Bewegung in die Musikszene der Hauptstadt. Nach dem russischen Chefdirige­nten Tugan Sokhiev sucht das DSO mit dem 34-jährigen Ticciati einen Image-Wandel.

In einer Zeit, in der „Klickraten und allgemeine Verunsiche­rung“die Gesellscha­ft beherrscht­en, wolle er mit Hilfe der Musik eine Idee von Gemeinscha­ft vermitteln, hat Ticciati angekündig­t. Neben regulären Konzerten in der Philharmon­ie plant er Auftritte im Neuköllner Theater „Heimathafe­n“, in einem früheren Heizkraftw­erk sowie in einem Einkaufsze­ntrum.

Auch beim Rundfunk-Sinfonieor­chester Berlin (RSB) ist Bewegung auf dem Dirigenten­pult. Mit dem Abschied von Marek Janowski ging in der vergangene­n Saison eine Ära zu Ende. Janowski hat das Orchester zu neuen Höhen geführt, unter an- derem mit der Einspielun­g der wichtigste­n Wagner-Opern. Jetzt übernimmt Vladimir Jurowski den Stab. Gerade hat er in Salzburg mit einer düsteren Version von Alban Bergs „Wozzeck“für Furore gesorgt.

„Auftakt Jurowski“– so bereitet das RSB den Wechsel vor. Der 45Jährige gilt als einer der gefragtest­en Dirigenten der neuen Generation. Schon seit Jugendzeit­en hat der Russe seinen Lebensmitt­elpunkt in Berlin; sein Vater, der Dirigent Michail Jurowski, kam zu Sowjetzeit­en in den Westen der Stadt. Sohn Vladimir bekam sein erstes Engagement 1996 an der Komischen Oper, ging dann nach Glyndebour­ne und wurde später Chefdirige­nt des London Philharmon­ic Orchestra.

Jurowski gilt als programmat­isch anspruchsv­oll, das soll auch bei seinem Antrittsko­nzert am 17. September zum Berliner Musikfest hörbar werden.Werke von Yun, Schönberg und Nono wird er mit Beethovens 5. Sinfonie kombiniere­n, die in der Fassung mit den Orchesterr­etuschen von Gustav Mahler erklingt. Und er gilt auch als Kandidat für die Nachfolge von Kirill Petrenko (45) an der Bayerische­n Staatsoper.

Denn Petrenko übernimmt 2018 die Berliner Philharmon­iker. Das Orchester hatte ihn als Nachfolger von Simon Rattle gewählt. Mittlerwei­le wird er nahezu sehnsüchti­g erwartet – spätestens seit er in der vergangene­n Spielzeit mit Tschaikows­kys „Pathètique“einen Beifallsst­urm auslöste.

Rattle bereitet derweil seinen Abschied auf Raten vor. In diesen Wochen hat er die Leitung des London Symphony Orchestra (LSO) übernommen, in der neuen Spielzeit pendelt er zwischen Berlin und London. Dann sagt er nach 15 Jahren endgültig „Good Bye“, will aber weiter als Gast bei den Philharmon­ikern dirigieren.

Auch an den Opernhäuse­rn ist Bewegung. Mit der Wiedereröf­fnung der Staatsoper Unter den Linden am 3. Oktober kommt Daniel Barenboims Ensemble in ein rundum erneuertes Haus. An seiner Leitung ändert sich freilich nichts. Barenboims Vertrag läuft bis 2022. Das Orchester hat ihn ohnehin zum Chefdirige­nten auf Lebenszeit gewählt – und darüber hinaus, wie der Maestro immer wieder zu spaßen pflegt.

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FOTO: TIM BRAKEMEIER Simon Rattle erlebt seine letzte Spielzeit in Berlin.

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