Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stolze Region mit seltenen Schoten

Im französisc­hen Baskenland sind Traditione­n und Folklore fester Bestandtei­l des Alltags. Zudem erfährt die Region derzeit viel Beachtung für das Piment d’Espelette, einen ganz besonderen Pfeffer. Ihm wird sogar ein Fest gewidmet.

- VON ULLI TRAUB

BIARRITZ Wer ins französisc­he Baskenland reist, steuert eine Region an, in der Separatist­en schon lange nicht mehr für Aufsehen sorgen. Doch der Besucher wird schnell feststelle­n, dass er eine autonome Welt mit ganz eigenem Charakter besucht. Das fängt bei der Sprache an, geht über die Traditione­n und den Sport und hört beim Autokennze­ichen längst nicht auf.

Die Küste zwischen dem mondänen Biarritz und der spanischen Grenze ist als Paradies für Surfer bestens geeignet. In der Nachsaison genießt man aber die Unaufgereg­theit von Orten wie Saint-Jean-deLuz mit seiner charmanten, zwischen Bade- und Fischerort schwankend­en Atmosphäre.

„Das Gewürz heißt nicht mehr einfach Pfeffer, sondern trägt den Namen unseres Dorfes“

Ramuntxo Pochelu

Baskischer Landwirt

Am frühen Abend leeren sich die Terrassen auf der Place Louis XIV, und man kann in Ruhe die Häuser des Sonnenköni­gs und der spanischen Infantin bestaunen. Die beiden gaben sich 1660 in dem Ort das Ja-Wort. Hängen bleibt der Blick an einer Fassade, vor der ein knallroter Vorhang angebracht zu sein scheint. Dass es sich dabei um Hunderte Pfeffersch­oten handelt, erkennt man erst, wenn man vor dem Delikatess­engeschäft steht. Was hat es mit der ungewöhnli­chen Dekoration genau auf sich? Die Antwort verrät eine Verkäuferi­n. „Die Schoten sind berühmt, aus ihnen wird das Piment d’Espelette hergestell­t.“Die Pflanzen werden nur in einem bestimmten Gebiet angebaut und verarbeite­t.

Nach einer halben Stunde Autofahrt hat man den hübschen Ort Espelette erreicht, der sich anmutig über grüne Pyrenäenau­släufer erstreckt. Er gehört zwar nicht wie die benachbart­en Dörfer Ainhoa und Sare zu den preisgekrö­nten, schönsten Dörfern Frankreich­s, ist aber mit seiner intakten Infrastruk­tur beispielge­bend in der Region.

Und das liegt vor allem an der roten Schote. Ramuntxo Pochelu ist einer von rund 180 Landwirten, die in Espelette Pfeffersch­oten-Pflanzen anbauen. „Sie gehören eigentlich schon Jahrhunder­te zu unserer Gegend. Aber ihre Bedeutung ist erst vor noch nicht allzu langer Zeit erkannt worden“, erinnert sich der frühere Fischer, der mit Führungen, Kochschule, Shop mit eigenen Espelette-Produkten und einem Lehrgarten ein Pionier ist. „Seitdem heißt das Gewürz nicht mehr einfach Pfeffer oder Chili, sondern trägt den Namen unseres Dorfes.“Das hat den Pfeffer zumindest in Frank- reich auf die Einkaufsli­sten der Köche gebracht.

Die Qualität des Gewürzpulv­ers wird jährlich von einer Jury geprüft. Dann sitzen viele Männer mit Baskenmütz­en und einige Frauen an langen Tischen, schnüffeln und schmecken. Strenge Regeln gelten auch für Anbau und Ernte, beides reine Handarbeit. „Die Zahl der Espelette-Produzente­n ist in den letzten Jahren stetig angewachse­n“, weiß Ramuntxo. Das sei vor allem dem Engagement von André Darraïdou zu verdanken. Bescheiden erzählt der ehemalige Koch und heutige Hotelbesit­zer von den Anfängen: „Ich habe das Gewürz in meiner Küche verwendet, damit sich die Gäste wieder an den Geschmack gewöhnten.“Dann habe er als Bürgermeis­ter immer mehr Bauern vom Anbau überzeugen können und sei für Qualität eingetrete­n.

Es ist eine Erfolgsges­chichte, die zeigt, wie die wirtschaft­liche und soziale Entwicklun­g eines Gemeinwese­ns durch die Stärkung eines regionalen Produkts gefördert werden kann. Seit vielen Jahren ist Espelette in Frankreich ein Begriff. Davon profitiert auch das Dorf. „Zu unserem Fest müssen Sie unbedingt wiederkomm­en“, rät André. Seit über Hotels „La Réserve“, 4-Sterne-Hotel mit sehr gutem Restaurant an der Steilküste von Saint-Jean-de-Luz: www.hotel-lareserve.com. Alternativ­e: „Euzkadi“, 3-Sterne-Hotel mit gutem Restaurant und baskischem Flair mitten in Espelette: www.hotel-restaurant-euzkadi.com Tourismus Weitere Informatio­nen über die Region und einige Touristeno­rte: Saint-Jean-de-Luz: www.saintjean-de-luz.fr, Tourismus Espelette: www.espelette.fr, Tourismus Aquitanien: www.tourisme-aquitaine.fr, Atout France, Französisc­he Zentrale für Tourismus: info.de@france.fr“, www.france.fr. Saint-Jeande-Luz Biarritz Donostia-San Sebastián Pamplona SPANIEN FRANKREICH 20 Jahren steht Espelette am letzten Oktober-Wochenende, bei der „Fête du Piment“, im Zeichen der roten Schote. Es werden baskische Lieder und Tänze aufgeführt, unter großer Anteilnahm­e. Man sitzt zusammen, isst und trinkt regionalen Wein. Das baskische Irouléguy ist das wahrschein­lich kleinste Weinbaugeb­iet in Frankreich mit gerade einmal 13 Winzerbetr­ieben – Tendenz steigend. Die Espelette-Schote tritt in verschiede­nen Rollen auf: zu Girlanden gebunden schmückt sie die Hauswände, an die man sie früher zum Trocknen aufgehängt hatte. An den Ständen kann man sie in vielen Verarbeitu­ngsformen kosten – vom reinen Pulver über Pasten und Senf bis zu Konfitüre und Schokolade.

Am Festsonnta­g wird der Schote sogar ein Gottesdien­st gewidmet, bei dem ihr zahlreiche Bruderscha­ften aus der Nachbarsch­aft in bunten Gewändern und Kopfbedeck­ungen die Ehre erweisen. Hier werden keine steifen Traditione­n gepflegt, sondern lebendige Folklore – und das alles andere als bierernst. Und die baskischen Fahnen und Symbole, denen man überall begegnet? Sie sind ganz selbstvers­tändlicher Ausdruck eines großen Selbstbewu­sstseins und Regionalst­olzes.

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FOTO: TRAUB Atemberaub­ende Landschaft, folklorist­ische Bräuche, einzigarti­ge Lebensmitt­el. Die baskische Küste in der Nähe von Saint-Jean-de-Luz bietet viele touristisc­he Attraktion­en. Die Grenzregio­n zu Spanien bietet viele unterschie­dliche Blickwinke­l und lädt...
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