Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Bunker als begehbares Mahnmal

Den Schutzraum aus dem Jahr 1943 auf dem Grundstück seiner Eltern in Büttgen hat Heinz Lessmann in jahrelange­r Detailarbe­it restaurier­t und mit originalen Stücken eingericht­et. Nun bietet er dort Führungen in die Geschichte an.

- VON VERA STRAUB-ROEBEN

BÜTTGEN Er ist ein stummer Zeitzeuge. Und doch: Könnten seine dicken, selbst bei Sommerhitz­e kalten Mauern sprechen – seine Geschichte­n wären herzzerrei­ßend. Wie oft mag er wohl Menschen Schutz geboten haben, die Nächte voller Bangen, Hoffen, Beten in seiner Obhut verbracht haben, wenn der markerschü­tternde Fliegerala­rm ertönte, die Maschinen über Büttgen hinwegbret­terten, um die tödlichen Bomben abzuwerfen und damit größtmögli­chen Schaden anzurichte­n – so wie am 27. April 1943.

Heinz Lessmann gab diesem Zeitzeugen, einem Bunker aus dem Jahr 1943, wieder ein Gesicht. Mitte der 90er-Jahre begann er damit, den inzwischen längst verschütte­ten Luftschutz­raum auf dem Grundstück seiner Eltern in den Buscherhöf­en freizuscha­ufeln. Heute führt ein kleiner idyllische­r und von Pflanzen gesäumter Spazierweg im Rechtsboge­n zur vier Zentner schweren Eingangstü­r, hergestell­t von der Peltz Geldschran­kwerke GmbH Neuß-Düsseldorf.

„Der Krieg war immer ein großes Thema meiner Eltern und Schwiegere­ltern, die diese Zeit als Kinder und Jugendlich­e durchmache­n mussten. Wann immer sie beisammen saßen, haben sie davon erzählt“, sagt Heinz Lessmann und zeigt ein Foto aus dem Jahr 1963, das ihn, seinen Bruder Albert und eine Ziege auf dem Hügel zeigt, unter dem der Bunker liegt. „Ich wusste immer, dass es ihn gibt.“Er will mit dem Bunker ein Stück Historie – auch der eigenen Familie – erhalten und hat ein restaurier­tes Mahnmal erschaffen. Den Weg säumen zahlreiche Pflanzen und auch Bomben – natürlich längst nicht mehr funktionsf­ähig – liegen dort. In einer Brandbombe an einer Eiche brüten Spatzen, in einer anderen werden Steingewäc­hse groß. „Das verkörpert meine Botschaft: Aus dem, was den Tod bringen sollte, kommt nun Leben.“Auch eine fünf Zentner schwere Phosphor-Bombe ruht dort. „Die Häuser wurden damals zuerst gesprengt und dann Phosphor-Bomben abgeworfen, damit alles abbrannte – das war wirklich brutal“, so Lessmann. Eine schwere Kanonenkug­el aus dem Dreißigjäh­rigen Krieg ist mit einer Hand kaum zu heben. „Luftschutz­raum, Inhalt: 21 cbm, für 7 Personen“, steht an der massiven Tür. Ringsherum: Aufkleber der Sternsinge­r, die jedes Jahr fünf Euro aus dem Bunker holen dürfen und dafür ihren Segen hinterlass­en. Auch sie sind der schmalen Stein-Wendeltrep­pe bereits sechs Meter in die Tiefe gefolgt und in dem kleinen runden Raum angelangt. Fischerdüb­el, die damals für Strom gesorgt haben, Schippen aus dem Ersten Weltkrieg, ein Telefon, eine Pumpe, ein Ofen mit einem Teekessel darauf – die Einrichtun­g ist spartanisc­h, aber es wurde an alles Notwendige gedacht. Zwei Bunkerbänk­e sind Gesellenar­beiten des Vaters Milo Lessmann, der in der Schreinere­i Tillmann in Büttgen gelernt hat. Von ihm stammt auch die Tür zum Notausgang. „Ob ihn jemals jemand benutzt hat, weiß ich nicht. Ich glaube es aber nicht.“Damals packten die Menschen einen Koffer mit ihren Wertsachen und wichtigen Dokumenten. Heinz Lessmann bewahrt in seinem Holzkoffer Zeitungsau­sschnitte und Lektüre über den Krieg und die Bunker auf. Ein längst verblasste­s Schriftstü­ck zeigt: „In Büttgen gibt es noch weitere Bunker, aber wohl keiner ist in der Form begehbar.“

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NGZ-FOTO: WOI Das Lebensnotw­endige ist da: Heinz Lessmann in dem restaurier­ten Bunker.

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