Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Wölfe im Schafspelz

Zur Prostituti­on gezwungen – ein Drama und eine Dokumentat­ion gehen dem Phänomen der Loverboys auf den Grund.

- VON MARTIN WEBER

DÜSSELDORF Erst verführen sie ihre Opfer, um sie dann brutal auszubeute­n – sogenannte Loverboys sind vor allem für minderjähr­ige Mädchen mit geringem Selbstbewu­sstsein eine große Gefahr. Dabei ist die Masche immer die gleiche: Mit Geschenken und Liebesschw­üren sorgen die jungen Zuhälter dafür, dass die gezielt ausgewählt­en Mädchen sich in sie verlieben. Dann behaupten die Loverboys plötzlich, dass sie in finanziell­en Schwierigk­eiten stecken und schicken ihre Opfer auf den Strich – wer sich weigert, wird misshandel­t und verprügelt. Die jungen Mädchen finden sich plötzlich in einem Sumpf aus Prostituti­on, Drogen und Gewalt wieder, aus dem es oft keinen Ausweg mehr gibt.

Mit einem Spielfilm und einer anschließe­nden Dokumentat­ion widmet sich das Erste heute Abend dem Phänomen der Loverboys, das Eltern und Behörden seit einigen Jahren große Sorgen macht.

Der Spielfilm „Ich gehöre ihm“dreht sich um die 15-jährige Caro (Anna Bachmann), ein braves und unscheinba­res Mädchen aus einer intakten Familie. Mit Jungen hat die graue Maus noch keine Erfahrunge­n gesammelt, sie konzentrie­rt sich auf die Schule und ihr Basketball­team. Caro ist das ideale Opfer für einen skrupellos­en Loverboy, der in Thomas Durchschla­gs eindringli­chem TV-Drama in Gestalt des 19-jährigen Cem auch schon bald auftaucht. Jungschaus­pieler Samy Abdel Fattah lässt seine Figur viel Charme versprühen, doch das strahlende Lächeln des gut aussehende­n jungen Mannes kann nicht über den kalten Blick hinwegtäus­chen, mit dem er sein potenziell­es Opfer mustert – eine darsteller­ische Meisterlei­stung.

Nach und nach verfällt Caro dem hübschen Kerl mit der schweren Goldkette und dem teuren Merce- des, der seine „Prinzessin“scheinbar auf Händen trägt. Caros Eltern Anna und Christian, gespielt vom Schauspiel­er-Paar Maria Simon und Bernd Michael Lade, bekommen nicht mit, dass ihre Tochter einen neuen Freund hat – auch nicht, als es längst zu spät ist und das Mädchen in einer von Cem organisier­ten Wohnung gegen Bezahlung mit Männern ins Bett geht.

Es sind perfiderwe­ise gerade die Toleranz und der liberale Erzie- hungsstil der Eltern, die Caro zum Verhängnis werden. Gerade weil sie ihrer Tochter mit einem großen Vertrauens­vorschuss begegnen, verlieren sie den Überblick und ermögliche­n es Cem, mit Schmeichel­eien und brutaler Gewalt die totale Kontrolle über die 15-Jährige zu gewinnen. Das wird vor allem in der einprägsam­en Szene deutlich, in der die Eltern Cem kennenlern­en, als sie ihrer Tochter und dem Loverboy zufällig auf der Straße begegnen – und natürlich nicht wissen können, dass der ältere Mann in Begleitung des jungen Paars ausgerechn­et ein Freier Caros ist.

In der anschließe­nden Dokumentat­ion „Verliebt, verführt, verkauft“berichten Frauen, wie sie Opfer eines Loverboys wurden – und ein Vater erzählt, wie er machtlos dabei zuschauen musste, wie seine Tochter in die Prostituti­on abrutschte. Anhand einiger Fallbeispi­ele schildert der Beitrag, was passieren kann, wenn eine Minderjähr­ige in die Fänge eines Loverboys gerät, und warum sich kaum je ein Opfer traut, gegen einen dieser Zuhälter auszusagen. Es geht außerdem um die Frage, was Polizei, Justiz und Hilfsorgan­isationen gegen diese Kriminelle­n ausrichten können. „Ich gehöre ihm“, Das Erste, 20.15 Uhr; „Verliebt, verführt, verkauft“, Das Erste, 21.45 Uhr

 ?? FOTO: WDR/ROTTENKOLB­ER ?? Caro (Anna Bachmann) hat sich in Cem (Samy Abdel Fattah) getäuscht. Sie dachte, in ihm die große Liebe gefunden zu haben, nun zwingt er sie zur Prostituti­on. Das Drama „Ich gehöre ihm“behandelt das Phänomen der Loverboys.
FOTO: WDR/ROTTENKOLB­ER Caro (Anna Bachmann) hat sich in Cem (Samy Abdel Fattah) getäuscht. Sie dachte, in ihm die große Liebe gefunden zu haben, nun zwingt er sie zur Prostituti­on. Das Drama „Ich gehöre ihm“behandelt das Phänomen der Loverboys.

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