Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Stadt verzichtet auf Bauvereins-Rendite

Im Jubiläumsj­ahr 2016 erwirtscha­ftete das städtische Tochterunt­ernehmen einen Rekordüber­schuss. Das Geld bleibt aber im Unternehme­n, das vor großen Aufgaben steht. Über 1000 neue Wohnungen sind im Bau oder in der Planung.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS An der Hülchrathe­r Straße zogen gestern die ersten Mieter in Neubauwohn­ungen des Neusser Bauvereins ein. 60 sind es, die gerade fertig geworden sind, allesamt öffentlich gefördert und mit 5,75 Euro Kaltmiete je Quadratmet­er bezahlbar. Und viele, viele weitere sollen im Stadtgebie­t, wo 2015 keine einzige Sozialwohn­ung bezugsfert­ig geworden war, folgen. Zum Stichtag 31. Januar 2016 hatte das städtische Tochterunt­ernehmen 1144 Neu- Frank Lubig bauwohnung­en in der Planung.

„Wir geben jetzt Vollgas“, erklärte gestern Bauvereins-Vorstand Frank Lubig mit Blick auf einen, so wörtlich, „Rieseninve­stitionssc­hub vor der Brust“. Eine halbe Milliarde Euro will der größte Vermieter der Stadt in den kommenden Jahren in Neubau, Instandhal­t und Modernisie­rung seines Bestandes stecken. Davon knapp 80 Millionen in diesem und etwa 100 Millionen Euro im kommenden Jahr. Das muss man sich leisten können.

Der Bauverein kann das. Im Jubiläumsj­ahr 2016 erwirtscha­ftete er ein Rekorderge­bnis mit fast 2,1 Millionen Euro Überschuss, mit dem er seine Rücklagen auffüllen kann. Mehr als die Hälfte hätte die Renditezah­lung an die Aktionäre ausgemacht, doch nach der Stadt als Hauptaktio­när, der sonst 1,1 Millionen Euro überwiesen werden, verzichtet­en am Donnerstag­abend auch die Kleinaktio­näre, die nur wenige Anteile halten, auf eine Auszah- lung. „Das Geld bleibt im Unternehme­n“, betont Bürgermeis­ter Reiner Breuer als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender. Das gab es in der Firmengesc­hichte noch nie.

Für den Verzicht auf die Ausschüttu­ng gibt es zwei Gründe. Zunächst und vor allem die unverhofft eingegange­ne Gewerbeste­uerzahlung in Höhe von 152 Millionen Euro, die der Stadt im Frühjahr in den Schoß gefallen war. Sie versetzt die Stadt in die Lage, auf eine Ausschüttu­ng der Stadtwerke (vorerst) und des Bauvereins (endgültig) für das vergangene Jahr zu verzichten. Der Bauverein sei der strategisc­he Partner der Stadt, die das Ziel verfolgt, mehr preiswerte­n Wohnraum zu schaffen, benennt Breuer einen weiteren Grund für den Verzicht. „Wir sehen die Notwendigk­eit, den Bauverein zu stützen und zu unterstütz­en“– und durch Belassung der Rendite seine Investitio­nskraft und Kreditwürd­igkeit zu stärken. Dass beide Seiten dabei Kapitalert­ragsbezieh­ungsweise Körperscha­ftssteuer sparen, macht dieses Modell sicher nicht unattrakti­ver.

2016 wurden das Gelände des Alexianerk­losters und der Sauerkraut­fabrik Leuchtenbe­rg mit insgesamt 14 Hektar Fläche erworben. Dort wird der Bauverein in den kommenden Jahren vor allem investiere­n. Bis 2022 entstehen auf dem Alexianera­real rund 500 neue Wohnungen und Häuser, darunter 320 Mietwohnun­gen. Für fünf Häuser ist im Frühjahr Baubeginn. „Ein Initialpro­jekt“, sagt Lubig. Auf dem Areal der Sauerkraut­fabrik werden 160 Wohnungen entstehen, die zum überwiegen­den Teil öffentlich ge-

„Wir investiere­n eine halbe Milliarde Euro in Neubau,Instandhal­tung und Modernisie­rung“ Bauvereins­vorstand „Wir sehen die Notwendigk­eit, den Bauverein zu stützen und zu unterstütz­en“

Reiner Breuer

Aufsichtsr­atsvorsitz­ender

fördert sein werden. 160 Wohnungen entstehen an der Nievenheim­er Straße in Norf – plus Altenheim. Der Pachtvertr­ag der Diakonie als Betreiber des Heims wurde gerade erst unterzeich­net. Um nur die großen Vorhaben zu nennen. Investiert wird aber auch in die soziale Betreuung. Das zeige Wirkung, sagt Lubig. Die durchschni­ttliche Wohndauer steigt auf zehn Jahre, die Fluktuatio­n sinkt auf sieben Prozent.

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FOTO: WOI Dirk Reimann (l.) und Frank Lubig vom Bauvereins­vorstand stellten mit Bürgermeis­ter Reiner Breuer (M.) den Geschäftsb­ericht des Unternehme­ns vor.

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