Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Im Kolumba tanzt die Moderne mit der Antike
Die Jahresausstellung „Pas de deux“vereint in Köln zwei Sammlungen. Das Römisch-Germanische Museum gastiert im Zumthor-Bau.
KÖLN Wenn zwei Tänzer zum „Pas de deux“ansetzen, dann sind Höhepunkte zu erwarten. Der eine wie der andere Part gibt nur das Beste. Aus der Verschmelzung zweier Bester entsteht meist etwas Allerbestes. Berührendes. Ein Miteinander und ein Zwiegespräch. Ganz ohne Worte mit allerfeinstem künstlerischen Ausdruck. An diesen Höhepunkt des klassischen Balletts haben zwei Kölner Museumsdirektoren gedacht, als sie vor drei Jahren Pläne schmiedeten, ihre Spitzenstücke in eine gemeinsame Choreographie zu setzen. Der eine, Marcus Trier, wollte sich eine Denkpause verordnen. Und er war dabei von einer gewis-
Der Kölner Schnörkel war in der Antike so ein Markenzeichen wie heutzutage das Logo von Apple
sen Not getrieben, da sich sein Römisch-Germanisches Museum in eine Sanierungsphase begab. Der andere, Stefan Kraus, wollte gerne einmal Gastgeber sein. Sein Prinzip des lebenden Museums im Kolumba noch verstärken, noch lebendiger werden lassen, indem für die Dauer eines Jahres zwei Museumssammlungen aufeinanderprallen.
„Pas de deux“wurde als impulsgebender Name gesetzt, dem künstlerischen wie emotionalen Höhepunkt des Balletts entlehnt und darüber hinaus auf das erquickliche Hin und Her zwischen Antike, Mittelalter und Moderne hinweisend. Die Absicht dieses historisch abwechslungsreichen Spiels: Acht Kuratoren möchten in einer zunehmend bedrohlicher werdenden Welt die vielfältigen Aspekte des Menschseins präsent halten.
Wo sie das Menschsein festmachen? Dank der reichen Kunstschätze beider Kölner Häuser können sie aus Mythos und Gegenwart schöpfen, aus Zeit und Raum, Kostbarkeit und Transzendenz, Selbstwahrnehmung und kollektivem Handeln. Aus nahezu allem, was das Menschsein und die Gesellschaft ausmacht.
Die Räume im Kolumba haben heimliche Überschriften. So betritt man mit Nummer 7 einen „Schnörkelraum“, der im „Pas de deux“zum prächtigen Ballsaal wird. Der Kölner Schnörkel war in der Antike ein Markenzeichen erster Güte, eine geformte Wellenlinie, die in der Ziffer 7 ausläuft – von der Bedeutung her vergleichbar dem, was heute das Apple-Logo ist. Im Schnörkelraum wird die Geste des zeichnenden Menschen untersucht und in kostbaren Zeugnissen belegt. Antike Gefäße werden mit Zeichnungen von Hubert Berke aus den 1940er Jahren Holzskulptur: Kostbarkeit: konfrontiert, dessen Verfahren aus reiner Experimentierlust getrieben waren. Hinterglasmalerei von Werner Schriefers gesellt sich dazu, der in seinen „Smogblüten“das blinde Malen austarierte.
Das mag alles sehr theoretisch klingen und braucht doch beim Rundgang im Kolumba nicht wegweisend zu sein. In jeder Aufstellung des Tanzes begegnet man immer Einzelstücken, die die Schaulust befriedigen. Im zentralen großen Raum angekommen, sieht man auf eine Sammlung römischer Töpferkunst. Auf dem zentralen Podest hat man Weißtonkrüge, Tafelgeschirr und Kakao-Kannen arrangiert. An den Wänden treiben Anna und Bernhard Blume auf Fototafeln ihre „Vasenextase“– ein aberwitziger philosophischer Dialog über die vertrackten Verhältnisse im Alltag.
In Raum 20 gelingt der Sprung ins 20. Jahrhundert, das Thema ist das Menschsein, auch Körperlichkeit. Rebbeca Horn, bekannt für ihre Body Art und Performances, untersucht in Kurzfilmen das Tasten der Hände, wenn man diese mit Federn verlängert. Sie stellt Hierarchien der Sinne auf. Ihre Tanzpartnerin zur Rechten ist eine kopflose Venus, die nach ihrer Erschaffung im frühen 2. Jahrhundert von Italien nach Köln gelangte. In einer Villa diente sie lange Zeit als Dekoration. Vor ihrer Wiederentdeckung durch die Restauratoren lag sie zerschlagen, den Rücken zur Straßenoberfläche gerichtet, unter dem Pflaster der Hohe Straße in Köln.
Ein Schaustück der besonderen Güte ist Felix Droeses Skulptur „De drie naakte vrouwen“: Figuren, die er abstrahiert aus Ulmenholz geschnitzt und auf einem Floß aufgestellt hat. Dort, wo beim Menschen das Herz sitzt, hat der Bildhauer die Bretter durchbohrt. Der Gedanke der ewigen Fahrt des Lebens findet Ergänzung in einem luxuriösen Bernsteinschiffchen aus dem 3. Jahrhundert. Drei Eroten sind deren Fahrgäste. „Lebe glücklich“lautet die Inschrift – und ihre Mission.
Weitere Botschaften finden sich in einem der kostbarsten Stücke, das das Römisch-Germanische Museum ausquartiert hat. In purpurfarbenen Buchstaben steht auf einem Diatretglas aus dem 4. Jahrhundert auf Griechisch der Trinkspruch: „Trinke, lebe schön immerdar“.Die Entdeckung, 1960, war für Köln ein Glücksfall. „Wir sind die einzige Millionenstadt mit 2000 Jahren Stadtgeschichte – davon können Berlin und München nur träumen“, sagte Marcus Trier gestern vor der Presse. „Köln hat die Taschen voll.“