Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Viel Feingefühl für Alzheimer-Patienten

Heute ist Welt-Alzheimert­ag: Viele Patienten der Kaarster Zahnärztin Regina Holfeld leiden an der heimtückis­chen Krankheit. Die Behandlung erfordert Geduld und Vertrauen, denn die Erkrankten dulden keinen Schmerz.

- VON ELISABETH KELDENICH

KAARST Heute ist Welt-Alzheimert­ag. Zahnärztin Regina Holfeld, seit dreißig Jahren in Kaarst tätig, erlebt ihn öfter: „Ungefähr alle drei Wochen behandle ich einen Patienten mit Alzheimer“, berichtet sie. Oft spielen sich dabei tragisch-komische Szenen ab: „Ein Mann kam mit seiner erkrankten Frau – ihre Vollprothe­se war verschwund­en und beide hatten eine schlimme Woche hinter sich“, erzählt sie. Beim Wiedereins­etzen der Zähne sagte er: „Können Sie nicht zusätzlich ein GPS-Signal einbauen, um die Prothese beim nächsten Mal leichter wiederzufi­nden?“. Vielleicht ein Modell der Zukunft, meinte die 55jährige Medizineri­n. Eine andere Dame wird immer von ihrer Tochter begleitet, die ihrer Mutter vor und während der Behandlung Volksliede­r vorsingt. „Wir sprechen über die Lieder und dadurch entsteht eine entspannte Stimmung“, erzählt Regina Holfeld.

Denn diese sei sehr wichtig. „Die Patienten müssen mich schließlic­h in ihren Mund lassen“, sagt sie. Dazu bedarf es seitens der Ärztin ausreichen­d empathisch­er Fähigkeite­n – und der Bereitscha­ft, zuzuhören. „Hilfreich ist es, ein gemeinsame­s Gesprächst­hema zu finden“, erklärt die Zahnmedizi­nerin. Die Menschen mit Alzheimer tolerierte­n keinen Schmerz, seien sehr empfindlic­h und hätten eine NullTolera­nz-Grenze. Da sei eine große Portion Einfühlung­svermögen vonnöten. „Ich erkläre grundsätzl­ich alles, lenke sie ab und spende immer Lob“, erläutert die Mutter zweier Söhne ihre Arbeit. Von daher mache sie nur positive Erfahrunge­n mit Alzheimer Patienten: „Sie sind durchweg friedlich und nett mir gegenüber“, so die Ärztin.

Große Unterstütz­ung leisten die begleitend­en Angehörige­n. Sie machen den Patienten alles begreiflic­h und nehmen so eventuelle Angst weg. Das gilt auch für andere Be- treuer. „Manche Patienten kommen allein. Das ist ganz wichtig für ihre Selbstbest­immung“, meint Regina Holfeld. Natürlich sei das mit den Angehörige­n abgesproch­en. Ein Mann verlässt sich dabei auf seinen Hund – er kennt den Weg, wartet draußen geduldig auf das Ende der Behandlung und die Praxis sagt der Ehefrau Bescheid, wenn beide wieder losziehen.

30 Patienten mit Alzheimer hat Regina Holfeld inzwischen regelmäßig auf ihrem Zahnarztst­uhl – viele kennt sie schon lange, bevor sie sich veränderte­n. „Diese Veränderun­g erstreckt sich oft über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren“, beobachtet Holfeld. Immer werde sie in einem vertraulic­hen Gespräch ohne den Betroffene­n über die Erkrankung informiert. Das gelte auch für neue Patienten. Während ihres Studiums war Alzheimer kein Thema. „Das lief alles unter Vergesslic­hkeit“, erinnert sie sich. Die sich verändernd­e Gesellscha­ft fordere inzwischen ihren Tribut: „Mittlerwei­le gibt es Alterszahn­medizin und Fortbildun­gsmöglichk­eiten“, sagt Holfeld. Als große Herausford­erung sieht sie die zahlreiche­n Medikament­e an, die ältere Menschen einnehmen. „Hier muss man sehr aufpassen, dass keine Schäden bei der Behandlung entstehen“, erklärt sie.

 ?? NGZ-FOTO: ANJA TINTER ?? Zahnärztin Regina Holfeld in ihrem Behandlung­szimmer: Auf dem Stuhl nehmen häufig auch Alzheimer-Patienten Platz.
NGZ-FOTO: ANJA TINTER Zahnärztin Regina Holfeld in ihrem Behandlung­szimmer: Auf dem Stuhl nehmen häufig auch Alzheimer-Patienten Platz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany