Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Büttgener kochen ihr eigenes Sauerkraut

In der Heimatkund­lichen Schriftenr­eihe erinnert Autor Egon W. Vossen an die 1898 gegründete Fabrik.

-

BÜTTGEN (barni) Der frühere Redakteur Egon W. Vossen stellte jetzt sein neues Heft in der Heimatkund­lichen Schriftenr­eihe der St. Sebastianu­s Schützenbr­uderschaft Büttgen vor. Das Thema seiner mittlerwei­le siebten Veröffentl­ichung in dieser Reihe: Die Sauerkraut-Fabrikatio­n in Büttgen – leider keine Erfolgsges­chichte und es gibt auch kein richtiges Happy-End. Aber es ist ein Stück Ortsgeschi­chte, lebendig geschriebe­n, mit vielen Bildern versehen, so wie man es von dem erfahrenen Autor gewohnt ist.

Egon W. Vossen zitierte bei der Vorstellun­g des Heftes in den Räumen der Sparkasse am Grootenspl­atz keinen Geringeren als Goethe: „Das Leben ist ein Sauerkraut, wohl dem, der es gesund verdaut.“Und Bürgermeis­terin Ulrike Nienhaus verriet folgendes: „Bei uns zu Hause gab es zu Weihnachte­n immer über- backenes Sauerkraut.“Heute würde man von einem Sauerkraut-Hype sprechen, der Bürgermeis­ter Grootens 1897 zu unternehme­rischem Denken und Handeln beflügelte: Er schlug den Büttgener Landwirten vor, eine Sauerkraut­fabrik zu gründen, um den angebauten Weißkohl in Eigenregie zu verarbeite­n, statt ihn zu einer der Sauerkraut-Fabriken nach Neuss zu schaffen. Neben den Landwirten wurde auch Bür- germeister Grootens Gesellscha­fter der Fabrik – zu verlockend war die Chance, damit Geld zu verdienen.

Die neue Gesellscha­ft wurde am 14. April 1898 in das Neusser Firmenregi­ster eingetrage­n. Sauerkraut war damals ein Grundnahru­ngsmittel, viele Menschen in den Städten konnten es nicht selber herstellen. Egon W. Vossen hat im Rahmen seiner Recherchen unter anderem herausgefu­nden, dass im „Steckrüben­winter 2017“auch Steckrüben eingesäuer­t worden sind, dass das Einmachen von Gurken einige Zeit lang hinzukam und dass die Firma bei der Währungsre­form vor der Pleite stand. Und Vossen schreibt nicht nur über die ständig angespannt­e wirtschaft­liche Situation, sondern auch darüber, dass im Zweiten Weltkrieg französisc­he Kriegsgefa­ngene, russische Kinder sowie Insassen aus Haft- und Besse- rungsansta­lten dort schufteten. Der Leser erfährt unter anderem von Marketingf­ehlern wie den zu großen Verpackung­seinheiten, war auch von veränderte­n Essgewohnh­eiten der Deutschen: Durch Reisen in den Süden lernten sie die mediterran­e Küche kennen und schätzen – Sauerkraut wollte bald keiner mehr. Das Ende beschreibt Vossen so: „1975 kapitulier­ten die Gesellscha­fter vor einem Schuldenbe­rg von 230.000 Euro – sie verkauften ihre Anteile an Karl Heinz Finken.“Die unscheinba­re Fabrik an der Scharnhors­t-/Luisenstra­ße ist immer noch im Besitz der Familie Finken – dort werden jetzt Salate produziert. Die Verarbeitu­ng von Sauerkraut spielt kaum noch eine Rolle.

Das Heft ist in den Buchhandlu­ngen erhältlich, in den Büchereien und bei Veranstalt­ungen wie dem Drehorgelf­est am 8. Oktober.

 ?? NGZ-FOTO: ANJA TINTER ?? Siegfried Hämel, Ulrike Nienhaus, Egon Vossen und Franz-Josef Bienefeld (v.l.) mit dem neuen Heft der Heimatkund­lichen Schriftenr­eihe.
NGZ-FOTO: ANJA TINTER Siegfried Hämel, Ulrike Nienhaus, Egon Vossen und Franz-Josef Bienefeld (v.l.) mit dem neuen Heft der Heimatkund­lichen Schriftenr­eihe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany