Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Brotprüfun­g – mehr als eine Ährensache

Bei der öffentlich­en Brotprüfun­g der Bäcker-Innung wurden die Produkte gestern von einem Fachmann bewertet. Bei Punktzahl und Qualitätss­iegel geht es neben dem Geschmack auch um Optik.

- VON ANDREAS BUCHBAUER

NEUSS Das süße Frühstücks­brot („Wochenends­tute“) wäre eigentlich eine satte 100. Saftig im Geschmack, mit reichlich Rosinen und Nüssen versehen, ist das Weißbrot beinahe perfekt – aber eben nur beinahe. Karl-Ernst Schmalz (55) dreht es auf die Seite und zeigt auf die Kruste. „Sie ist leider aufgerisse­n“, sagt er. „Das Brot hätte länger ruhen müssen, bevor es in den Ofen kam. Ansonsten ist es super.“Mit 100 Punkten wird es aber so nichts, schließlic­h muss dafür alles perfekt sein. Schmalz ist Qualitätsp­rüfer des Deutschen Brotinstit­uts und sitzt an einem mit vielen Broten versehenen Tisch in der Neusser Volksbank-Zentrale. Dorthin hat die Bäcker-Innung Krefeld-Viersen-Neuss zur offizielle­n Brotprüfun­g geladen.

Karl-Ernst Schmalz macht das hauptberuf­lich, als einer von lediglich drei solchen Prüfern deutschlan­dweit. Er bewertet nach den Kriterien der Deutschen Landwirtsc­hafts-Gesellscha­ft (DLG). Nur wenn alles stimmt, gibt’s 100 Punkte und damit das Gold-Siegel. Bei kleinen Fehlern gibt’s einen Punktabzug, und selbst mit 99 Punkten ist es dann eben nur noch ein Silber-Siegel.

„Qualitativ und geschmackl­ich ist das Brot aber dann natürlich ebenfalls sehr gut“, betont Schmalz. Es geht dann lediglich um Kleinigkei­ten, die am Frühstücks­tisch niemandem auffallen würden. Aber Schmalz ist eben ein Profi. Er hat an diesem Morgen viel zu tun und merkt rasch: Er muss sich etwas Arbeit mit nach Hause nehmen.

Rund 100 Brotproben haben die Bäcker aus dem Innungsber­eich eingereich­t, den Geschmacks­test packt irgendwann selbst der geübteste Gaumen nicht mehr. „Etwa 50 bis 60 Brotproben gehen am Tag. Bei stark gewürzten Produkten – wie zum Beispiel Stollen – ist es etwa die Hälfte“, sagt Schmalz. Natürlich ist Karl-Ernst Schmalz so eine Brotprüfun­g auch eine Leistungss­chau. 81 Betriebe gehören der Innung an, davon 33 aus dem Rhein-Kreis Neuss. Ein Gold- oder Silber-Siegel ist eine Auszeichnu­ng, die für Kunden ein Kauf- und Probieranr­eiz sein kann. Obermeiste­r Rudolf Weißert (63) betont, dass der Unterschie­d zwischen Silber und Gold marginal ist. „Geschmackl­ich sind solche Brote durch die Bank ausgezeich­net“, sagt er. Aber Geschmack ist beim Brotkauf längst nicht mehr alles.

Wer ein Produkt erfolgreic­h am Markt platzieren möchte, muss dazu auch eine Geschichte erzählen. Ein Brot ist eben auch eine eigene Marke. Rudolf Weißert zum Beispiel hat ein extra Wiesnbrot entwickelt, das es nur zur Oktoberfes­tzeit zu kaufen gibt und mit frischer Braugerste zubereitet wird. Der stellvertr­etende Innungsmei­ster Erich Lehnen hat vor Kurzem ein Brot mit dem Namen „Unser Max“auf den Markt gebracht – Max ist sein Enkel. Und der Neusser Bäckermeis­ter Thomas Puppe ist seit Jahren mit seinem Brot „Onkel Jakob“erfolgreic­h, mit dem er an die Backtradit­ion seines Großvaters anknüpft. Das Konterfei von Puppes Großvater Jakob schmückt die Banderole um das Brot. Und ein Brot „Oma Klara“gibt es auch.

Prüfer Karl-Ernst Schmalz ist mit den Brotproben gestern zufrieden. Alle getesteten Produkte finden sich mitsamt zugehörige­r Bäckerei unter www.brotinstit­ut.de im Internet.

„50 bis 60 Brotproben gehen am Tag – danach muss erst mal eine Pause her“ Brotprüfer

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