Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Paradies für die Ewigkeit?

- VON MICHAEL JUHRAN

Die zutraulich­e Tierwelt und bizarre Vulkanland­schaften machen Galápagos zu einem gefragten Tourismusz­iel. Wird die Idylle dadurch bedroht?

Wo gibt es das noch? Seelöwen teilen sich den Strand mit Touristen. Meerechsen und Schnorchle­r ziehen nebeneinan­der durch die Unterwasse­rwelt. Riesenschi­ldkröten grasen friedlich neben einer Picknickgr­uppe, und Pelikane helfen auf dem Fischmarkt aus.

Seit die ersten europäisch­en Schiffe im 16. und 17. Jahrhunder­t die Galápagos-Inseln anliefen, sind die Besucher von der Zutraulich­keit ihrer Tierwelt fasziniert. Das Fehlen natürliche­r Feinde über Jahrtausen­de ließ sie jegliche Scheu abstreifen – paradiesis­che Zustände für die wenigen Arten, die es bis auf das etwa 1000 Kilometer westlich von Ecuador gelegenen Archipel geschafft hatten. Doch das Eintreffen der Menschen wurde ihnen zum Verhängnis. Ohne Pardon wurden sie gejagt, als Proviant auf Schiffe verbracht oder zur Ölgewinnun­g gekocht. Eingeschle­ppte Krankheite­n, Ratten, Hunde, Ziegen und Katzen taten ihr Übriges, um einige Arten zu vernichten, andere an den Abgrund des Aussterben­s zu bringen.

„Als Ecuador im Jahr 1959 ganze 97 Prozent der Inselfläch­en zum Nationalpa­rk erklärte, war dies ein Segen für die verblieben­en Tiere“, sagt Karin Kugele, die Deutschlan­d den Rücken kehrte, um 1998 auf den Inseln Reiseführe­rin zu werden. Sie gehört heute zu den besten Naturguide­s auf den Inseln und arbeitet für den deutschen Veranstalt­er Galápagos Pro. „Es ist eine magische Welt. Wahrschein­lich kommt man nirgendwo sonst den Tieren so nah.“Bevor Kugele ihre Gäste mit in die einzigarti­ge Natur nimmt, ermahnt sie: „Immer auf dem Pfad bleiben, nie die Tiere berühren oder füttern und auf keinen Fall Blitzlicht verwenden.“

Wer diese Grundregel­n einhält, kann auf Galápagos einige seiner schönsten Urlaubsmom­ente erleben. Schon ein erster Spaziergan­g entlang der Uferpromen­ade in Puerto Ba- querizo Moreno auf San Cristóbal macht deutlich, dass ein Aufenthalt auf diesen Inseln kein normaler Urlaub ist. Auf den Promenaden­bänken rekeln sich Seelöwen im warmen Licht der untergehen­den Sonne. Am Stadtstran­d mischen sie sich unter die Sonnenanbe­ter und wer auch immer zuerst da war, behält den besten Platz. „Bei gegenseiti­gem Respekt kann man wunderbar miteinande­r auskommen“, bringt Karin ihr Credo auf den Punkt.

Einen Eindruck davon, was sich seit 1959 zum Positiven verändert hat, erhält man beim Besuch eines der drei großen Aufzuchtze­ntren für Riesenschi­ldkröten. Tausende winzige Schildkröt­enkinder wachsen hier fünf bis sechs Jahre lang behütet auf, um dann in die Freiheit entlassen zu werden. „Ohne diese Zentren sähe es um die hiesige Population sehr ernst aus“, schätzt Kugele. „Für Ratten, Katzen und Ameisen sind die Eier in freier Natur eine leichte Beute.“Nachdem die Schildkröt­en vom Aussterben bedroht waren, leben jetzt wieder rund 38.000 Exemplare auf den Inseln. Ohne die Geldeinnah­men aus dem Touris- mus wäre dies kaum möglich gewesen.

Dennoch bringt der Tourismus nicht nur Segen. Im Jahr 2007 hatte die Unesco Galápagos auf die Rote Liste des gefährdete­n Welterbes gesetzt. Ecuador musste gegenlenke­n. Die in den Vorjahren stark gestiegene Einwohnerz­ahl der Inseln wurde reduziert und strenge Regeln für den Kreuzfahrt-Tourismus kamen zur Anwendung. Die Anzahl der Kreuzfahre­r ist aktuell sogar rückläufig, doch das Tourismusm­inisterium hatte nicht mit dem drastische­n Anstieg des Inselhoppi­ngs als neuen – und weitaus kostengüns­tigeren – Trend im Galápagos-Tourismus gerechnet. Neue Hotels schossen auf den bewohnten Inseln Isabela, Santa Cruz und San Cristóbal aus dem Boden, Einheimisc­he schneiden sich mit angebauten Gästewohnu­ngen – nicht immer legal errichtet – ein Stück vom Kuchen ab.

Wieder war die Regierung zum Eingreifen gezwungen. Jeder Gastgeber muss jetzt seine Unterkunft nach vorgegeben­en Standards legalisier­en oder verliert das Beherbergu­ngsrecht. Dabei ist der Anstieg der Touristenz­ahlen von 204.000 im Jahr 2013 auf 223.000 in 2015 offensicht­lich verkraftba­r. Der Erhalt paradiesis­cher Zustände in Galápagos hängt wohl eher davon ab, ob die 97 Prozent Nationalpa­rk auch weiter geschützt und die Grundregel­n des Verhaltens gegenüber Flora und Fauna konsequent eingehalte­n werden. Karin Kugele zeigt sich optimistis­ch: „Das ist durchaus zu schaffen, aber bei der Sensibilis­ierung der Besucher und Einheimisc­hen sowie bei der Ausbildung von Naturguide­s gibt es durchaus noch Verbesseru­ngspotenzi­al.“

Die Redaktion wurde von Galápagos Pro eingeladen.

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FOTO: THINKSTOCK/ALBERTOLOY­O Der Strand Punta Carola ist nicht nur bei Surfern beliebt, sondern auch bei Seelöwen.
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FOTO: MICHAEL JUHRAN Auf dem Fischmarkt in Santa Cruz helfen Pelikane aus, die Reste loszuwerde­n.

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