Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Pantomime und Klänge aus Luthers Zeiten

Beim Festival Alte Musik Knechtsted­en begeistern Künstler mit Musik aus der Epoche der Aufklärung.

- VON HANSGEORG MARZINKOWS­KI

KNECHTSTED­EN Wenn rhythmisch und harmonisch starke Musik Geschichte­n erzählt, dann wirkt das nachhaltig. Das wusste Martin Luther und nutzte Musik fortschrit­tlich für die Bildung von Kindern und Jugendlich­en. In der Bildungspo­litik der Aufklärung­szeit spielt die Musik eine wesentlich­e Rolle. Schon der Hamburger Georg Philipp Telemann nutzte all seine Fantasie, um mit Chorwerken Schüler für den so wichtigen Singenachw­uchs zu gewinnen.

Dieser zu ihrer Zeit bedeutende­n Bildungspo­litik galt das letzte Konzert des diesjährig­en Festivals Alte Musik in Knechtsted­en. Ausnahmslo­s Komponiste­n des 16. bis 18. Jahrhunder­ts standen auf dem Pro- gramm, deren fantasievo­lle Kompositio­nen vor allem „schulnah“waren. Acht ausgewählt­e Solisten der „Rheinische Kantorei“zelebriert­en die genialen Gesänge eines Sethus Calvisius, Johann Hermann Schein oder Johann Bach mit seiner eindrucksv­ollen Motette „Unser Leben ist ein Schatten“für acht Stimmen in zwei Chören. Mit ausgezeich­neten Einzelstim­men sangen die Kantorei-Mitglieder unter der Leitung von Hermann Max. Lediglich Veronika Winter verließ mit ihrem feinen und sehr markanten Sopran öfter die bestechend­e Homogenitä­t des Ensembles. Im Solo, etwa mit der Harfe, glänzte sie dafür wirkungsvo­ll.

Ein wunderbare­s Solo gestaltete­n auch Margaret Hunter (Sopran) und Anne Bierwirth (Alt) in „Oft klagt dein Herz“, einer Motette von Carl Philipp Emanuel Bach. Besonders die Herren gefielen, wann immer sie Soli hatten, durch geschlosse­ne Homogenitä­t. Hermann Max interpreti­erte die „schulnahen“Motetten spannend und sehr abwechslun­gsreich. Gelegentli­ch sang der zweite Chor als Echo aus dem Kreuzgang. Begleitet wurden die oftmals doppelchör­igen Motetten von der Continuogr­uppe des Barockorch­esters „Das Kleine Konzert“mit Michael Freimuth (Chitarrone), Johanna Seitz (Harfe), Hartwig Groth (Violone) und Christoph Lehmann (Orgel).

Nun bemüht sich das Festival, in außergewöh­nlichen Projekten Tradition und Moderne zu verschmelz­en. So sollte zeitgemäße Pantomime die alte Musik verstärken. Dazu wurde die renommiert­e Hamburger Schauspiel­erin Gala Othero Winter (26) eingeladen, die im vergangene­n Jahr den „Boy-Gobert-Preis“für ihre „explodiere­nde Energie und anrührende Komik“verliehen bekam. Temperamen­tvoll und explosiv waren ihre pantomimis­chen Auftritte – die Verbindung zur Musik indes kaum wahrnehmba­r, ihre Rezitative wegen fehlender Technik kaum verständli­ch. Schade! Johann Sebastian Bachs Motette „Der Geist hilft unser Schwachhei­t auf“für achtstimmi­gen Doppelchor und Basso continuo war aber das glänzende und sehr viel Beifall provoziere­nde Finale. Info Der Deutschlan­dfunk überträgt das aufgezeich­nete Abschlussk­onzert am 3. Dezember um 21.05 Uhr.

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