Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Als Dormagen „Jamaika“erfand
In Berlin läuft alles auf eine „ Jamaika“-Koalition zu. Ob sich die Verhandlungsführer von CDU, CSU, FDP und Grünen fragen, woher der Begriff stammt? Die Antwort lautet: Dormagen, wo 1993 der Journalist Hans-Bernd Schmitz ihn erfand.
DORMAGEN Die Begeisterung im politischen Berlin hielt sich am Sonntag Abend in Grenzen, als die SPD schon nach der Prognose um kurz nach 18 Uhr einer Großen Koalition eine Absage erteilte. Jetzt also „Jamaika“. Jamaika? Wer nach dem Ursprung dieses Begriffs für eine politische Verbindung im Internet sucht, wird in Dormagen fündig.
Hans-Bernd Schmitz schmunzelt, als er gestern auf „Jamaika“angesprochen wird. Nicht darüber, dass er sich die offenbar unumstrittene Urheberschaft für diese Bezeichnung ans Revers heften kann, die ein politisches Bündnis aus CDU (schwarz), FDP (gelb) und Bündnisgrünen (grün) bezeichnet. Vielmehr der Umstand, aus dem heraus er entstand. Schmitz, heute Unternehmenssprecher der Bayer AG in Leverkusen, war damals Redaktionsleiter des Anzeigenblatts „Schaufenster“in Dormagen. „Im Vorfeld der Kommunalwahl 1994 haben wir in der Redaktion über mögliche Koalitionen diskutiert. Das war sicher schon im Jahr 1993“, erinnert sich der 57-Jährige. „Weil ich gerade auch dabei war, einen Karibik-Urlaub vorzubereiten, fielen mir in einem Prospekt die Flagge von Jamaika bzw. ihre Farben ins Auge: schwarz, grün und gelb. Das passte zu den damaligen politischen Umständen und Möglichkeiten, wie eine Koalition in Dormagen nach der Kommunalwahl gebildet werden könnte. “Das „Schaufenster“titelte dann wenig später auch: „Jamaika-Koalition möglich“. Am Ende kam es in Dormagen zwar nicht zu einem Schwarz-Gelb-Grü- nen-Bündnis, aber die Bezeichnung war geboren. Der in der Öffentlichkeit auch als möglicher Urheber genannte Hans Wingerath war damals Vize-Bürgermeister der CDU, und habe, so erinnert sich Schmitz, den Begriff in den Diskussionen oft verwandt. „Es ist eine Dormagener Erfindung mit bundesweiter Wirkung“, freut sich Schmitz.
Zehn Jahre nach der „Geburt“war „Jamaika“im Gespräch, scheiterte aber am Streit um den Posten des Bürgermeister-Stellvertreters. Aber 2009 war es dann aber soweit: Wiljo Wimmer (CDU), Ingo Kolmorgen (Grüne) und Beate Brebeck (FDP) handelten einen Koalitionsvertrag aus, „Jamaika“war perfekt und hielt auch die gesamte Wahlperiode. Wie gelingt „Jamaika“, was müssen die Akteure in Berlin beachten? Rechtsanwalt Wimmer sagt: „CDU, FDP und Grüne haben grundsätzlich einen wertekonservativen Ansatz. Das ist die Basis, die tragen kann.“Wichtig sei die permanente offene Kommunikation und „dass man dem jeweiligen Partner die Meinungsführerschaft bei einem Thema überlässt“. Tim Wallraff, der erst mitten in der Wahlperiode Ortsverein-Vorsitzender wurde, meint: „Die handelnden Personen müssen sich vertrauen.“Im Wahlkampf sei zwischen Grüne und FDP „viel Porzellan zerschlagen worden. Jetzt muss die Rhetorik abgebaut und ruhig und besonnen diskutiert werden.“Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Karlheinz Meyer, fordert den „Blick auf das Ganze zu richten. Es geht um die Verantwortung für Deutschland. Kompromisse sind möglich, am schwierigsten wird es Union-intern.“