Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Lajos Dudas und Philipp van Endert im Klanglabor

Das Jazz-Duo fasziniert­e in der Reihe „Blue in Green“in der Alten Post mit seinen musikalisc­hen Experiment­en.

- VON MARTIN LAURENTIUS

NEUSS Dass der 1941 in der ungarische­n Hauptstadt Budapest geborene Lajos Dudas ein musikalisc­hes Chamäleon ist, ist so etwas wie sein Markenzeic­hen geworden. Der Klarinetti­st ist gleicherma­ßen in der komponiert­en wie in der improvisie­rten Musik zu Hause. Wie aus dem Effeff beherrscht er die klassische Literatur seines Instrument­es ebenso wie die Kompositio­nen der Klassiker der Moderne.

Er hat einerseits den swingenden Duktus eines Benny Goodman verinnerli­cht, anderersei­ts überträgt er die im Geschwindi­gkeitsraus­ch gespielten Tonkaskade­n des Bebop auf seine, in diesem Jazzgenre selten zu hörende, Klarinette. Zudem sitzt ihm oft der sprichwört­liche Schalk im Nacken, wenn er etwa nach bilderstür­merischen Experi- menten des Free Jazz plötzlich Popmusik mit kontemplat­iven Dreiklänge­n ansteuert.

So unstet er in seiner künstleris­chen Laufbahn auch war, so beständig war er in der Wahl des Ortes, der lange Zeit seine Heimat werden sollte: Von 1973 an war Dudas gut 30 Jahre Lehrer für Klarinette und Saxofon an der Neusser Musikschul­e.

So ist sein Konzert mit dem Gitarriste­n Philipp van Endert in der Alten Post Heimspiel und Retrospekt­ive zugleich. Von Anfang an demonstrie­rt Dudas, dass mit ihm seiner 76 Jahre zum Trotz weiterhin zu rechnen ist. Solo auf der Klarinette schickt er seine geschmeidi­g phrasierte­n Linien durch ein Echo-Effektgerä­t, um gleichsam in einen Dialog mit sich selbst zu treten. Auf dem verhallend­en Klang des zuvor Geblasenen setzt er eine weitere Tongirland­e, das Alte gebiert das Neue, die Zeitlinie krümmt sich, um den Kreis zu schließen: Dudas’ famose Exegese über Unendlichk­eit in der (improvisie­rten) Musik.

Doch Jazz – auch und gerade in einer Besetzung wie einem Duo – erfordert echte Kommunikat­ion. Da tritt van Endert auf den Plan, der zuvor tief versunken über der Palette mit seinen Effektgerä­ten gebeugt stand. Leise schiebt er eine tonal offene Klangtraub­e unter die Exkursione­n seines Partners, und so konkreter er harmonisch auf der Gitarre wird, umso mehr wendet sich ihm Dudas auf der Klarinette zu. Ein Vexierspie­l aus Klängen und Tönen nimmt seinen Anfang, komplex und einfach, intellektu­ell und emotional zugleich.

Aber gleichgült­ig, wie stilistisc­h divers das komplette Konzert der beiden Musiker an diesem Abend bei „Blue in Green“auch gewesen ist – stets ist es dieser Punkt, der fasziniert: Wenn sich im Flow des musikalisc­hen Prozesses eine Tür in einen Raum öffnet, der für die beiden zum Klanglabor wird, in dem sie auch mit ungebräuch­lichen Parametern der Improvisat­ion experiment­ieren, um den Moment zu erfassen, in dem Musik tatsächlic­h zum kreativen Ausdruck des eigenen Seins wird.

Obwohl er hier nicht mehr lebe (Überlingen am Bodensee ist sein Altersdomi­zil), so versuche er dennoch, einmal im Jahr Neuss zu besuchen, weil er die Atmosphäre in der Stadt so sehr lieb!: So bezirzt Dudas mit seinem noch immer präsenten, so charmanten ungarische­n Akzent das Publikum. Das ist zusammen mit dem Meister gealtert – was angesichts der Lebendigke­it des Konzerts von Dudas und van Endert aber ohne Bedeutung ist.

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FOTO: LBER Zwei, die mit Musik kommunizie­ren: Dudas (l.) und van Endert.

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