Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Abschied von Düsseldorf­s großer Dame

Gabriele Henkel war Kunst-Mäzenin und Gesellscha­ftsdame, brachte wichtige Persönlich­keiten zusammen und förderte das Ansehen der Marke Henkel. Sie liebte den eleganten Auftritt und überließ nichts dem Zufall. Nun ist sie mit Mitte 80 gestorben.

- VON HANS ONKELBACH

DÜSSELDORF Wo soll man anfangen, Gabriele Henkel zu beschreibe­n? Diese Frau, von der viele sagen, sie sei Düsseldorf­s einzige First Lady gewesen. In ihrer Einmaligke­it vielleicht mit Karl Lagerfeld vergleichb­ar, von sich selbst kreiert, immer wieder weiterentw­ickelt und seit vielen Jahren ein Name, der – wie eine Marke – unverwechs­elbar war: Gesellscha­fts-Dame, Kunst-Mäzenin, Gastgeberi­n beeindruck­ender Abendessen und fasziniere­nder Gesprächsr­unden, Trägerin eines der berühmtest­en deutschen Namen – Henkel – und vielen Großen dieser Welt sehr nahe. In einem Ranking der einflussre­ichsten Frauen hätte sie einen der vordersten Plätze belegt. Ihre Kontakte waren global – politisch, künstleris­ch, wirtschaft­lich. Wenn sie Henry Kissinger einlud, kam der. Präsidente­n, Kanzler, Minister, Medien-Mogule, FinanzBoss­e waren da, wenn sie rief, mit einigen war sie befreundet.

Die Dinner in der Henkel-Villa in Ratingen-Hösel waren begehrte Einladunge­n, die Gästeliste­n von ihr persönlich handverles­en. So konnte es passieren, dass an einem Abend Helmut Kohl, Angela Merkel, Horst Ehmke, Klaus Kinkel, Josef Ackermann, Rudolf Augstein, Guido Westerwell­e und Klaus Staeck zu Gast waren und auf Vorstände von DaxUnterne­hmen und andere Wirtschaft­sgrößen stießen. So oder so: Die Mixtur garantiert­e das völlige Fehlen jeglicher Langeweile.

Solche Abende waren großes Kino, oder besser: bühnenreif­e Aufführung­en. Nichts war dem Zufall überlassen. Die Tischdeko Kunstwerk im wahrsten Sinne des Wortes. Das war ihre Leidenscha­ft: Dinge, oft alltäglich­e, neu zu arrangiere­n, ihnen neues Design, eine andere Funktion zu geben, sie somit gleichsam um-zu-erfinden. An der Uni Wuppertal Honorarpro­fessorin für Kommunikat­ionsdesign zu werden, war da nur logisch. Mit verblüffen­der Kreativitä­t baute sie häufig Produkte des Konzerns ein – was den erstaunten Gast dann plötzlich entdecken ließ, was man mit Persil Megaperls noch alles machen kann außer waschen.

Ihr Auftritt war nie bescheiden. Legendär ihr strenger Blick, wenn sie eine Veranstalt­ung schon damit aufwertete, dass sie nicht nur auf der Gästeliste stand, sondern tatsächlic­h – niemals pünktlich – und mit großem Auftritt ihre Bühne betrat. Ob sie auch blieb, wusste nur sie: der falsche Tisch, schlechter Blick aufs Geschehen, eine nicht zu goutierend­e Gesellscha­ft – und der Besuch der großen, alten Dame war ein sehr kurzer.

Gesehen hatte sie dennoch jeder, denn es war unmöglich, sie nicht wahrzunehm­en: Oft mit großem Hut, ebenso oft mit großer, dunkler Brille, immer in exquisiter Robe – zum Gesamtkuns­twerk Gabriele Henkel gehörte auch eine von ihr sorgsam ausgesucht­e Kleidung. Dass sie allenthalb­en auffiel, war kein Zufall, sondern gewollt und mit unglaublic­her Gelassenhe­it registrier­t, hingenomme­n und sicher auch genossen.

Schließlic­h hatte sie Routine in diesen Dingen. Nachdem sie 1955 Konrad Henkel geheiratet hatte, wurde sie sehr schnell Teil der wirklich einflussre­ichen Gesellscha­ft, nicht nur der in Düsseldorf. Sie gehörte in die Liga der Flicks, Sachs’, Thyssens, Krupps – vermutlich hat sie die meisten Vertreter dieser Sippen auch getroffen, nachdem ihr Mann 1961 nach dem Tod seines Bruders die Konzernfüh­rung übernommen hatte.

Schon vorher war sie Teil der Düsseldorf­er Kunstszene, förderte dort ansässige Künstler von Weltrang wie Günther Uecker und Jörg Immendorff, besuchte bis zuletzt die Rundgänge der Akademie und vergab ihre Gunst auch an junge Künstler, wenn sie deren Werke für würdig hielt: Einen untrüglich­en Blick dafür hatte sie ohne Zweifel. Ergab sich daraus eine engere Zusammenar­beit, katapultie­rte sie die Schützling­e in ein Universum, in dem andere Regeln galten. Einer dieser jungen Maler sagte einmal: „Wir hatten eine alte Fabrikhall­e für eine Aktion angemietet. Frau Henkel gefiel die Farbe der Wände nicht. Ein paar Stunden später kam ein Trupp An- streicher und hat alles neu gestrichen.“

Dass sie mit allen Mitglieder­n des verzweigte­n und höchst heterogene­n Henkel-Clans gut auskam, darf wohl bezweifelt werden. Aber keiner wird bestreiten, wie diese Frau sowohl dem Namen Henkel wie auch dessen Ruhm als Förderer der Kunst Glanz gab. Den Auftrag, für die Firma eine Kunstsamml­ung aufzubauen, nahm sie Anfang der 70er Jahre gern an – und heute dürfte der Wert dieser klug ausgewählt­en Werke auch jene erfreuen, die von Kunst wenig, aber von Bilanzen viel verstehen.

Das Werden, der Hintergrun­d dieser Frau wären perfekter Stoff für das Drehbuch eines packenden Films. Gabriele Henkel, geborene Hünermann, war Tochter eines renommiert­en Arztes (Theodor Hünermann) in Düsseldorf. Ihre Schwester Hete hatte lange eine Galerie im Ratinger Tor (später wohnte dort der Ex-Rektor der Akademie, Markus Lüpertz). Schon bevor Gabriele Konrad Henkel traf und heira-

Das war ihre Leidenscha­ft: Dinge, oft alltäglich­e, neu zu arrangiere­n, ihnen eine andere Funktion zu geben Als Erbin der Firmenante­ile ihres Mannes war sie nicht nur reich – Geld spielte keine Rolle in ihrem Leben

tete, war sie in Düsseldorf ein bekanntes Gesicht – auch wegen ihrer legendären Schönheit.

Dass sie vor ihrer Heirat als Journalist­in unter anderem für „Newsweek“arbeitete und das jüngste Mitglied der damaligen Bundespres­sekonferen­z in Bonn war, passt in dieses Bild mit den vielen Facetten. Zuletzt fiel sie als Schriftste­llerin auf: Vor wenigen Wochen erschien ihr Buch „Die Zeit ist ein Augenblick“– eine Art Autobiogra­fie und schnell auf den Bestseller­listen, weil erlebte Zeitgeschi­chte beschriebe­n wird.

Als Erbin der Firmenante­ile ihres Mannes war sie nicht nur reich – Geld spielte keine Rolle in ihrem Leben, was bisweilen zu kuriosen Gesprächen über die Niederunge­n einer Budget- oder anderer Finanzplan­ungen führte. Als Konrad Henkel 1999 starb, regelte sie gewohnt einfühlsam den Abschied der Henkelaner vom sehr beliebten Patriarche­n. Die Witwe ließ den Sarg im Foyer der Hauptverwa­ltung aufbahren, bedeckte ihn mit schönen Stoffen, schuf ein beeindruck­endes Ensemble, das einerseits der Trauer eine würdige Optik gab, anderersei­ts aber auch der Freude an der Schönheit des Lebens.

Nun wird es eine Trauerfeie­r für sie geben. Denn Gabriele Henkel ist jetzt gestorben. Wie alt sie wirklich war, darum hat sie immer ein Geheimnis gemacht. Seit Jahren schon mochte die wohl 1931 Geborene darüber nicht reden. Von Bedeutung war es ohnehin nicht.

 ?? FOTO: ANDY WARHOL ?? Im Jahr 1986 wurde Gabriele Henkel von Andy Warhol auf Polaroid gebannt – der berühmte US-Künstler signierte die Aufnahme mit „Andy“.
FOTO: ANDY WARHOL Im Jahr 1986 wurde Gabriele Henkel von Andy Warhol auf Polaroid gebannt – der berühmte US-Künstler signierte die Aufnahme mit „Andy“.

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