Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

AfD und Front National mit ähnlichen Schwächen

Die französisc­hen Rechtspopu­listen haben viele Abspaltung­en hinter sich, die der AfD bevorstehe­n könnten.

- VON CHRISTINE LONGIN

PARIS Als der Wahlerfolg der AfD klar war, reagierte Marine Le Pen noch euphorisch. „Bravo an unsere Verbündete­n von der AfD für dieses historisch­e Ergebnis“, twitterte die Chefin des Front National (FN). Stunden später zeigte sich allerdings, dass die deutsche Schwesterp­artei in denselben Problemen steckt wie der FN: Vier Tage nach Le Pens Vize Florian Philippot warf auch AfD-Vorsitzend­e Frauke Petry die Brocken hin. „Es passiert bei den Rechtspopu­listen ziemlich häufig, dass der Wahlerfolg Auftakt für eine Reihe von Abspaltung­en ist“, sagt der französisc­he Spezialist für die extreme Rechte, Jean-Yves Camus.

In Frankreich hatte Le Pen ihren Vordenker in die Trennung getrieben, nachdem dessen antieuropä­ische Linie bei den Wahlen nicht den gewünschte­n Erfolg gebracht hatte. Im Gegensatz zur noch jungen AfD hat der FN in seiner mehr als 40 Jahre langen Geschichte schon mehrere Abspaltung­en hinter sich. 1999 kehrte der damalige Vize Bruno Mégret der Partei den Rücken und gründete eine neue Formation. Erfolg hatte er mit seinem „Putsch“, wie Jean-Marie Le Pen den Abgang nannte, allerdings nicht: Bei der Präsidents­chaftswahl 2002 kam er nur auf 2,3 Prozent, während Le Pen es in die Stichwahl gegen Jacques Chirac schaffte. „Die Konsequenz­en der Abspaltung messen sich nicht nur im Wahlergebn­is, sondern auch in der Fähigkeit der Partei, über gut ausgebilde­te Leute zu verfügen. Mit Mégret sind damals viele Parteikade­r gegangen“, gibt Camus zu bedenken.

Die meisten Anhänger Mégret kamen allerdings zurück und besetzten unter Marine Le Pen Spitzenpos­itionen. Mit der 49-Jährigen, die die Führung 2011 von ihrem Vater übernahm, legte der FN Wahl für Wahl zu und wurde 2014 bei der Europawahl stärkste Partei. Noch immer stoßen die Rechtspopu­listen sich allerdings an einer „gläsernen Decke“von rund 30 Prozent, die bei den Regionalwa­hlen 2015 auch verhindert­e, dass sie eine der 13 Regionen gewannen. „Das ist die Schwä- che der Anti-System-Parteien: Da sie gegen das System sind, will keine andere Partei mit ihnen zusammenge­hen“, erklärt Camus. „Um sich an der Regierung zu beteiligen, muss man seine Rhetorik mäßigen können.“Das gelte auch für die AfD. „Wenn sie irgendwann einmal eine Koalition bilden will, muss sie nationalis­tische und antisemiti­sche Sprüche vermeiden.“

Genau das tut der FN seit Jahren. Die Strategie der „Entteufelu­ng“hatte Marine Le Pen nach dem Abgang ihres Vaters eingeleite­t, der mehrfach wegen antisemiti­scher Äußerungen verurteilt worden war. Seither steigt der Anteil derer, die mit den Positionen der Partei einverstan­den sind.

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