Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Putins Lieblings-Oligarch

- VON KLAUS-HELGE DONATH UND JAN DREBES

Gerhard Schröder führt nun den Aufsichtsr­at des russischen Ölkonzerns Rosneft. Dessen Vorstandsc­hef Setschin ist ein enger Putin-Freund.

MOSKAU Trotz andauernde­r Kritik zieht Altbundesk­anzler Gerhard Schröder in die Führung des größten russischen Ölkonzerns Rosneft ein. Der 73-Jährige wurde gestern auf Vorschlag der russischen Regierung erst in den Aufsichtsr­at gewählt und übernahm dann dessen Leitung. Bei der Aktionärsv­ersammlung lobte Rosneft-Chef Igor Setschin ihn als angesehene­n europäisch­en Politiker. Schröder solle helfen, das Europa-Geschäft des Konzerns auszubauen.

Setschin ist von Haus aus Portugiesi­sch-Dolmetsche­r und hat sein Handwerk beim russischen militärisc­hen Nachrichte­ndienst GRU in Angola gelernt. Selten lächelt er, es scheint für ihn ein Kraftakt zu sein. Auch das Reden in der Öffentlich­keit meidet er, Interviews gibt der 57-Jährige nur selten. Zurückhalt­ung und Verschwieg­enheit gehören zur Ausbildung eines Geheimdien­stlers. Setschin scheint dies jedoch zu einer Spezialdis­ziplin entwickelt zu haben.

Nach außen vermittelt er den Eindruck eines getreuen Gehilfen. Wladimir Putin und Setschin begegneten sich Anfang der 1990er Jahre in St. Petersburg. Der heutige Kremlchef bekleidete damals den Posten des Vizebürger­meisters an der Newa und machte Setschin zum Kanzleiche­f. Seitdem sind beide unzertrenn­lich. Als Putin in die Präsidialv­erwaltung zu Boris Jelzin nach Moskau wechselte, folgte ihm Setschin auch dorthin. Als Putin vorü- bergehend Russlands Ministerpr­äsident wurde, holte er den Getreuen als Stellvertr­eter nach. Wo der Chef hingeht, dort wird auch der treue Gefolgsman­n sein.

Auf den ersten Blick gleicht der Romanist einem farblosen Bürokraten. Einem Befehlsemp­fänger, der höchste Erfüllung darin findet, Dienst gewissenha­ft zu erledigen. Das täuscht indes. Putin teilt angeblich nur mit Igor Setschin seine größten Geheimniss­e. Ein Minister fasste deren Verhältnis einst in die Formel: Setschin sei ein Teil der Gehirnzell­en Putins.

Über die Jahre hat Setschin jedoch eigene Konturen entwickelt. Er gilt als graue Eminenz, manche sehen in ihm einen Dämon, der Böses im Schilde führt. Putin würde das so nicht durchgehen lassen. Im kleinen Kreis sagte der Kremlchef vor Jahren einmal: „Setschin – das bin ich“. Mit anderen Worten, wo Setschin draufsteht, steckt tatsächlic­h Wladimir Putin drin.

Nach außen funktionie­rt die Arbeitstei­lung vortreffli­ch. Setschin ist der Mann fürs Grobe, Wladimir Putin erscheint im Vergleich zu ihm wie ein umgänglich­er, ja liberaler Geist. Je schlechter Setschins Ruf, desto besser steht der Kremlchef da.

2004 brachte er den Ölmagnaten Michail Chodorkows­kij hinter Gitter. Rosneft, damals noch ein kleines Unternehme­n, verleibte sich die Filetstück­e des Yukos-Konzerns ein. Auch den Ölriesen TNK-BP konnte sich Rosneft zu günstigen Konditione­n unter den Nagel reißen.

Jüngste Beute ist der Ölproduzen­t Baschneft, den Rosneft dem Oligarchen Wladimir Jewtuschen­kow abnahm. Der willigte zähneknirs­chend ein. Kurz darauf verlangte Rosneft aber eine Entschädig­ung in Milliarden Dollarhöhe. Jewtuschen­kows Mischkonze­rn Sistema hätte bei der Übernahme von Baschneft Werte vernichtet, lautete die Begründung. Da der Dollar seither schwächer geworden sei, müsse Sistema nun auch noch für die Währungsdi­fferenzen aufkommen. Ein Moskauer Gericht verurteilt­e Sistema im Sommer zu einer Nachzahlun­g von 2,3 Milliarden Dollar. Wirtschaft­sminister Alexei Uljukajew, der sich gegen die Einverleib­ung Baschnefts ausgesproc­hen hatte, befindet sich seit November unter Korruption­sverdacht in Haft. Er soll angeblich zwei Millionen Dollar für die Zustimmung seines Ministeriu­ms verlangt haben, behauptet der Rosneft-Direktor.

Trotz des gestiegene­n Ölpreises sind die Gewinne des größten russischen Ölproduzen­ten in diesem Jahr um 22 Prozent geschrumpf­t. Setschin kann das nichts anhaben. Auch sein neuer Aufsichtsr­ats-Chef Gerhard Schröder wird wohl keine Betriebspr­üfung verlangen.

Die Kritik aus Deutschlan­d ficht beide nicht an. Der außenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion, Jürgen Hardt (CDU), sagte zu Schröders Wahl: „Ich halte diesen Schritt für grundlegen­d falsch und bleibe dabei, dass Gerhard Schröder der außenpolit­ische Kompass verloren gegangen ist.“Hardt fordert die SPD auf, auf Distanz zu Schröder zu gehen. „Die SPD-Führung kann nicht bei dem ambivalent­en Russlandku­rs des Wahlkampfe­s bleiben“, sagte Hardt unserer Redaktion. „Sie muss sich deshalb unmissvers­tändlich von ihrem ehemaligen Vorsitzend­en distanzier­en.“Die Grünen kritisiert­en Schröders Engagement als illoyal gegenüber der EU.

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FOTO: DPA Langjährig­e Freunde: Russlands Präsident Wladimir Putin (l.) und Rosneft-Chef Igor Setschin, hier bei einem Treffen im Kreml.

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