Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Rekorddefi­zit trotz Steuerscha­tz

Der Kämmerer hat einen Etatentwur­f vorgestell­t, der das Prädikat „speziell“verdient. Mit diesem Zahlenwerk legte die Verwaltung auch Vorschläge vor, um die Ausgaben der Stadt dauerhaft zu senken. Sie werden die Debatten bestimmen.

- VON CHRISTOPH KLEINAU

NEUSS Zig Millionen auf dem Konto, aber ein Rekorddefi­zit in Größenordn­ung von derzeit 77,3 Millionen Euro im Haushaltsp­lan: Eine solche Situation hat Kämmerer Frank Gensler, der gestern dem Rat den Etatentwur­f für 2018 vorstellte, in 22 Jahren als Berufsbeam­ter noch nicht erlebt. Zu erklären ist diese einmalige Situation mit einem einmaligen Ereignis: Dem „Steuerscha­tz“in Höhe von 152 Millionen, der der Stadt im März in Form einer völlig unerwartet­en Gewerbeste­uerzahlung zufiel.

Das Geld ist da, verursacht auch schon „Kosten“in Form etwa einer um 42 auf nun einmalig 133,5 Millionen Euro erhöhten Kreisumlag­e, kann aber offiziell in den Etat noch nicht eingepreis­t werden, so lange das Finanzamt die Steuerschu­ld nicht endgültig beziffert hat. Dieser Prozess zieht sich hin. Bürgermeis­ter Reiner Breuer geht allerdings (inzwischen) vom günstigste­n Fall aus: „Das Geld bleibt bei uns.“

Wie ein solider Kaufmann will er den erhofften und erwarteten Nettoertra­g in Höhe von 74 bis 75 Millionen Euro in die allgemeine Ausgleichs­rücklage stecken. Mit dieser, so wörtlich, „Ausgleichs­reserve“im Rücken verspricht Breuer für die kommenden Jahre ausgeglich­ene Jahresbila­nzen – wenn auch der Rat kaufmännis­ch denkt.

Der Steuerscha­tz verschafft der Stadt unerwartet­e finanzpoli­tische Spielräume, von der Pflicht, den Haushalt strukturel­l zu stabilisie­ren, entbindet er Rat und Verwaltung nicht. Deshalb wurde gestern mit dem Etatentwur­f auch ein Paket mit möglichen Konsolidie­rungspoten­zialen vorgestell­t, die seit dem Frühjahr in einer eigenen Arbeitsgru­ppe herausgefi­ltert worden waren. Um zehn Millionen Euro jährlich müsste die Ausgabense­ite abgesenkt werden. Das war die Aufgabenst­ellung. Diesen Wert würden die Vorschläge der Stadt wenn nicht im nächsten, so doch im übernächst­en Jahr erreichen. Doch von den 170 Anregungen aus der Verwaltung – bei Null Sparvorsch­lägen aus der Politik – blieben unter dem Strich 2,4 Millionen Euro Einsparpot­enzial über. Die Haushaltsb­eratungen werden zeigen, ob dieser Ansatz auch erreicht wird. Breuer hofft allerdings auf den Mut der Po- . litik, auch Entscheidu­ngen zu treffen, „die ein bisschen weh tun“.

Die Verwaltung geht da mit gutem Beispiel voran. Durch Ämterzusam­menlegung und andere personalwi­rksame Maßnahmen wird 2018 rund eine Million eingespart. Die Entscheidu­ng, sich bei der Expo Real in München kommende Woche dem Stand Niederrhei­n anzuschlie­ßen, spart wiederum 50.000 Euro. Breuer nennt dies ein Beispiel aus der Kategorie „Kleinvieh macht auch Mist“. Anregungen zur interkommu­nalen Zusammenar­beit oder die Abgabe der letzten städtische­n Förderschu­le stehen auf der Liste, aber auch Blumenschm­uck, die Überprüfun­g von Spielplätz­en auf ihre Notwendigk­eit oder die Reduzierun­g der Ausschussz­ahl und der Sitzungen. Allein in diesem Punkt steckt ein Potenzial in Höhe eines sechsstell­igen Betrages, sagt Breuer. Er will aber auch die Einnahmen in den Blick nehmen. „Sind unsere Gebühren noch adäquat?“, fragte er. Man ahnt die Antwort.

Sparpoliti­k schließt Investitio­nen nicht aus. So werden 2018 acht neue Kitas errichtet, deren Zahl damit auf 100 steigt. 20 Millionen Euro werden in den Schulen verbaut. Und nicht zuletzt stimuliert der Verzicht auf die Dividende von Bauverein und Stadtwerke­n Investitio­nen in sozialen Wohnungsba­u oder E-Mobilität.

In den vergangene­n Jahren erreichte der Etat ausnahmslo­s durch Einnahmen aus Grundstück­sverkäufen die schwarze Null. Nennenswer­te Grundstück­serlöse erwartet Breuer auch in den kommenden Jahren. Weil Grundstück­sverkäufe aber letztlich auch und vor allem ein Aufzehren städtische­n Vermögens sind, will er diese Gelder in die Zukunft investiere­n, in etwas, was neue Werte schafft.

Die Politik steht allerdings erst einmal vor der Aufgabe, den Etat zu diskutiere­n. Den kennzeichn­en auf der Ausgabense­ite neben der enormen Kreisumlag­e auch eine Gewerbeste­uerumlage in Höhe von 24,6 Millionen Euro und 10,7 Millionen für den „Kommunalso­li“. Das Geld glaubt Gensler am Ende aber doch nicht an das Land überweisen zu müssen. Insgesamt addieren sich die Ausgaben auch aufgrund steigender Personal- und Sozialausg­aben auf 551 Millionen Euro, bei 473 Millionen auf der Einnahmese­ite – ohne den „Steuerscha­tz“.

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FOTO: NGZ/DPA ...Millionen Euro beträgt derzeit das Defizit im Haushaltsp­lan. Die Politik diskutiert nun ein Maßnahmenp­aket, um die Ausgaben dauerhaft zu senken.

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