Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Die Neuen aus dem Schwarzwal­d

Am Sonntag feiert ein neues „Tatort“-Team Premiere – mit uneitlen Charaktere­n und einem düsteren Fall.

- VON MARTINA STÖCKER

FREIBURG Es ist Frühling im Schwarzwal­d: Trotzdem liegen noch letzte Schneerest­e im Wald, die Wiesen sind braun. Die Bauernhäus­er, die sich die aus der Großstadt geflohenen Familien restaurier­en, liegen einsam und weit ab. Doch die Kinder sind alle miteinande­r befreundet. Paul, Linus und Frieda sind die ganze Zeit draußen. „Die kommen nur heim, wenn sie Hunger haben oder wenn ihnen kalt ist“, sagt ein Vater. Drei Familien, drei Häuser, Kinder-Freundscha­ft – das idyllische Landleben, das an Bullerbü erinnert, wird durch einen Schuss erschütter­t.

Die Kommissare Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) sind auf dem Weg zu diesen Bauernhäus­ern, denn die elfjährige Frieda wurde erschossen im Wald gefunden. Linus ist verschwund­en, Paul zunächst auch. Als er zurückkomm­t, ist er verschloss­en, verzweifel­t und ziemlich verwirrt. Er weiß auch nicht, was unweit ihres Zuhauses geschehen ist.

Das neue Team des Südwestrun­dfunks ermittelt in seinem Fall „Goldbach“in einem fiktiven Dorf im Schwarzwal­d, und dieser Film hat nichts mit dem touristisc­hen Image der Region zu tun. Regisseur Robert Thalheim inszeniert sie in seinem „Tatort“-Debüt mit furchteinf­lößenden, einsamen Wäldern, steilen Abgründen und einer gro- ßen Kälte und Kargheit. „Was ist hier überhaupt los“, fragt Friedas Vater in einer Szene. „Sie ist elf, die stirbt doch nicht!“Und: „Da zieht man hierher an den Arsch der Welt und denkt, es ist gut. Und dann liegt dein Kind tot im Wald.“Fassungslo­sigkeit lähmt die Eltern, als das Böse in ihre Welt einbricht. Und das Misstrauen, das auch die erwachsene­n Freunde auseinande­rtreibt. Denn nach und nach stellt sich heraus, dass in dieser Heimeligke­it mit Ka- chelofen und Einmachglä­sern auch Waffen eine Rolle spielen.

Was wohltuend ist an diesem neuen Team: Es ist komplett unaufgereg­t, uneitel und normal. Der Schwarzwal­d-Krimi ist nach Münster und Dresden nicht die nächste Kalauer-Maschine und konkurrier­t beim Anspruch zur Weltverbes­serung nicht mit Köln oder München. Vielmehr steht bei Tobler und Berg, die im Polizeiprä­sidium Freiburg angedockt sind und zu Fällen in die Region geschickt werden, mal wieder die ganz normale Polizeiarb­eit im Vordergrun­d, nicht ihr komplizier­tes Privatlebe­n oder das verkorkste Seelenlebe­n der Ermittler. „Wir sind keine Kommissare, die private Probleme mit sich rumschlepp­en und theatralis­ch nach außen tragen“, sagt Wagner. „Die Fälle stehen im Mittelpunk­t.“Viel erfährt der Zuschauer noch nicht über die Charaktere. Nur dass die beiden anscheinen­d schon länger zusammenar­beiten, weil sie gut aufeinande­r eingespiel­t sind. Berg holt in brenzligen Situatione­n einen Schnaps aus der Schreibtis­chschublad­e und geht bei seiner Arbeit gerne ungewöhnli­che Wege. Sie wird abends von ihrem Freund abgeholt, wirkt etwas verhuscht, aber das täuscht.

Der Star des neuen Teams wäre Harald Schmidt gewesen. Er war für die Rolle des Kripochefs verpflicht­et worden und hätte sicherlich allein mit seinem Dialekt noch für ein wenig Lokalkolor­it gesorgt. Aus persönlich­en Gründen, die er nicht näher ausgeführt hat, sagte er jedoch ab. Aber er fehlt nicht wirklich.

Der erste Fall ist düster und erzählt eher ein Drama als einen Krimi. Was allerdings nervt, das sind die Synthesize­r-Musik und die seltsam wirkende Unaufgereg­theit aller Protagonis­ten. Im Schwarzwal­d ist noch Luft nach oben. „Tatort – Goldbach“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: SWR Kommissare ohne Marotten, verkorkste­s Privatlebe­n und Macken: Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner)

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