Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

NRW-Grüne im Jamaika-Dilemma

Als Opposition auf Landeseben­e fürchten die Grünen um ihre Glaubwürdi­gkeit.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die sich abzeichnen­de Jamaika-Koalition in Berlin zwingt die Grünen in NRW in einen unangenehm­en Spagat: Während ihre Parteifreu­nde in Berlin demnächst gemeinsam mit CDU und FDP regieren, müssen dieselben Grünen in Düsseldorf als Opposition Stimmung gegen eine schwarz-gelbe Regierung machen. „Jamaika in Berlin wird die Grünen in NRW Glaubwürdi­gkeit kosten“, sagt ein Mitglied des Landesvors­tandes, „aus NRWSicht können wir uns Jamaika in Berlin fast nicht leisten.“

Bei der Landtagswa­hl am 14. Mai verloren die NRW-Grünen nicht nur ihren Status als Regierungs­partei, sondern zusätzlich die Hälfte ihrer Sitze im Landtag. Ähnlich wie FDPChef Christian Lindner nach dem Absturz der Liberalen 2013 im Bund sehen auch die NRW-Grünen ihre einzige Chance zum Wiederaufb­au jetzt in einer glaubwürdi­gen, also weitgehend kompromiss­losen Opposition­sarbeit.

Wie aber sollen die Grünen sich als David in Düsseldorf gegen den schwarz-gelben Goliath abgrenzen, wenn ihre grünen Parteifreu­nde in Berlin zugleich mit CDU und FDP um Posten schachern? Für diesen Spagat haben die Grünen sich eine neue Klammer ausgedacht: Sie wollen sich als „grünes Korrektiv“definieren. Ein „Korrektiv“kann gleichzeit­ig Teil der Opposition und der Regierung sein.

„Der Spagat zwischen Regierung in Berlin und Opposition in Düsseldorf funktionie­rt nur, wenn die Grünen in Berlin ihre Funktion als schwarzgel­bes Korrektiv deutlich machen“, bestätigt die Düsseldorf­er Grünen-Fraktionsc­hefin Monika Düker indirekt die neue Spagat-Strategie, „nur dann bleiben wir auch in NRW als Grüne glaubwürdi­g.“Deshalb sei es aus NRW-Sicht „elementar, dass die Grünen in den Berliner Koalitions­verhandlun­gen eine deutliche Handschrif­t hinterlass­en“, meint Düker.

Hinter vorgehalte­ner Hand sagen andere führende Landesgrün­e, dass sich sowohl der Realo- als auch der linke Parteiflüg­el in einem Berliner Jamaika-Bündnis wiederfind­en wollen. Zum Beispiel, indem die Berliner Grünen Schwarz-Gelb den vorzeitige­n Braunkohle-Ausstieg plus ein Sozialproj­ekt wie eine Grundsiche­rung für Kinder abtrotzen. Andernfall­s, so glaubt man in NRW, werde die Erzählung vom „grünen Korrektiv“nicht funktionie­ren.

Mitten in diese Phase der strategisc­hen Neuausrich­tung fällt bei den NRW-Grünen in Kürze auch noch eine wichtige Personalie. Sven Lehmann will nach seiner Wahl in den neuen Bundestag nicht wieder für den Landesvors­itz der NRW-Grünen kandidiere­n. Im kommenden Jahr – voraussich­tlich schon im Januar oder Februar – werden die NRW-Grünen einen Nachfolger wählen, der den Landesverb­and an der Seite der Co-Vorsitzend­en Mona Neubaur aus der Krise führen soll.

Die Grünen halten sich stets streng an den Proporz: Weil Neubaur als „Realo“-Grüne gilt, wird Lehmanns Nachfolger, wie Lehmann selbst, wieder ein Partei-Linker sein müssen. Mit Blick auf Jamaika in Berlin darf er aber wiederum nicht so links sein, dass er die Kompromiss­e der Grünen in Berlin Richtung CDU und FDP permanent torpediert.

Dem Vernehmen nach läuft alles auf den Chef des Duisburger Kreisverba­ndes, Felix Banaszak, hinaus. Der 27-Jährige war früher Sprecher der Grünen Jugend und ist Mitarbeite­r des grünen Europa-Abgeordnet­en Sven Giegold. Zu der Frage, ob er kandidiert, wollte Banaszak sich gestern nicht äußern.

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FOTOS: DPA Wechsel an der Spitze der NRW-Grünen: Der 27-jährige Felix Banaszak (r.) soll Nachfolger des aktuellen Landesvors­itzenden Sven Lehmann (37) werden.

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