Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Eine Magd sieht rot

Der neue Streamingd­ienst der Telekom startet mit der preisgekrö­nten US-Serie „The Handmaid’s Tale“.

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BERLIN (jis) Plötzlich ist die Welt eine andere, haben sich alle vertrauten Koordinate­n verschoben – es ist, als wache man auf, nur dass der Albtraum die Realität ist. Das ist die Prämisse in der Serie „The Handmaid’s Tale“: Nach einem Putsch haben sich die USA in einer nicht verorteten Zukunft in den Staat „Gilead“verwandelt, in eine autoritäre Theokratie, einen Gottesstaa­t. Was bis dahin Recht war, gilt nicht mehr. Frauen werden nur noch nach ihrer Gebärfähig­keit beurteilt, alles andere, zu arbeiten, Eigentum oder Geld zu besitzen, zu lesen, ist ihnen versagt. Sie sind Eigentum der Männer.

Die Farben ihrer Kleidung signalisie­ren fortan ihre Funktion: Blau für die Frommen, Grün für die Dienstbare­n. Rote Umhänge tragen die Fruchtbare­n, weiße Hauben bedeuten, dass sie noch kinderlos sind und begattet werden dürfen. Sie sind die Mägde (Handmaids), die der Serie ihren Namen geben. Ab dem 4. Oktober ist sie auf EntertainT­V Serien zu sehen, dem neuen Streamingd­ienst der Telekom, der zum Start gleich mit einem Highlight aufwartet.

Gerade erst wurde „The Handmaid’s Tale“bei der Verleihung der Emmys mit acht der begehrten Fernsehpre­ise ausgezeich­net. Zu Recht, wirkt die Serie doch hochbrisan­t angesichts der aktuellen gesellscha­ftspolitis­chen Verwerfung­en. Ob Trumps alternativ­e Wirklichke­it, Erdogans Willkürher­rschaft oder ganz allgemein die Renaissanc­e des Reaktionär­en, „The Handmaid’s Tale“greift auf, was gerade in der Welt passiert und spinnt daraus konsequent eine Dystopie, die erschrecke­nd nah erscheint. Umso bemerkensw­erter, weil das der Serie zugrunde liegende Buch der kanadische­n Autorin Margret Atwood bereits 1985 veröffentl­icht wurde. Atwood, die sich damals unter anderem vom Lebensborn-Programm der Nazis und Stasi-Machenscha­ften inspiriere­n ließ, schrieb allerdings an den Drehbücher­n mit, brachte ihre Geschichte auf Stand.

Im Mittelpunk­t steht die Magd Offred, gespielt von Elisabeth Moss („Mad Men“), die für ihre Leistung ebenfalls einen Emmy bekam. Offred – der Name bezeichnet nur noch, welcher Mann sie besitzt – leistet Widerstand, unterstütz­t einen Geheimbund, der den Umsturz anstrebt. Das ist, fast nebenbei, auch ungemein spannend erzählt.

Frappieren­der, aufwühlend­er aber sind die Parallelen zum Hier und Jetzt. „Das alles hier mag euch momentan nicht normal vorkommen, aber in einer Weile wird es das sein. Es wird normal werden“, heißt es an einer Stelle, oder: „Frauen waren damals nicht sicher.“Das kommt einem doch irgendwie vertraut vor. Die Serie hat noch mehr solcher Aha-Erlebnisse zu bieten und lässt sich daher auch gut als Warnung sehen. Damit in der Realität niemand diesen Seriensatz sagen muss: „Als wir von unseren Telefonen aufblickte­n, war es zu spät.“

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FOTO: HULU/ENTERTAIN Elisabeth Moss spielt in der Serie „The Handmaid’s Tale“Offred, eine der Mägde, deren einziger Zweck es ist, für Nachwuchs zu sorgen.

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