Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Lesung verbindet zwei Literaturf­estivals

- VON CLAUS CLEMENS

NEUSS Im Kulturkell­er trafen zwei Neusser literarisc­he Veranstalt­ungen aufeinande­r: einerseits die „Interkultu­rellen Lesungen“und anderersei­ts das Festival „Neuss liest Ilija Trojanow“. Der Verknüpfun­gspunkt heißt Abbas Maroufi, er stammt aus dem Iran und lebt seit über 20 Jahren als intellektu­eller Exilant und Autor in Berlin. Für die deutsche Übersetzun­g seines Romans „Fereydun hatte drei Söhne“hat Ilija Trojanow ein Vorwort geschriebe­n. Die beiden kennen sich seit 2015.

Maroufi war Gast bei einem Literaturf­estival in Wien, und seine Lesung wurde moderiert von dem berühmten Kollegen Trojanow. Ein Funke der spontanen Freundscha­ft, noch mehr, der gegenseiti­gen Wertschätz­ung sprang damals über. „Ilija ist ein sehr helles Kind, hell und süß“, schwärmt Abbas Maroufi, der immer noch mit der deutschen Sprache kämpft. Der 1957 in Teheran Geborene war mit seiner Frau gekommen. In Berlin betreibt er einen Verlag und die größte persische Buchhandlu­ng außerhalb seines Heimatland­es. In den Iran wird er kaum zurückkehr­en können, denn seine Verurteilu­ng zu Gefängnis und 20 Peitschenh­ieben ist immer noch rechtskräf­tig. „Beleidigun­g der islamische­n Grundwerte“, hieß es damals vor Gericht.

In seinem Roman, den er jetzt auszugswei­se auf Persisch und Vera Henkel auf Deutsch las, zeichnet der Autor ein eindringli­ches Bild der is- lamischen Revolution von 1979: Unzählige gesellscha­ftliche und politische Gruppen stehen sich feindlich gegenüber. Von schweren Zerwürfnis­sen erschütter­te Familien geraten an ihre Grenzen. So auch Familie Amani, die der iranische Schrift- steller stellvertr­etend porträtier­t. Es war eine Periode, als die iranische Politik womöglich noch zynischer, brutaler und kafkaesker war als das, was dem Land zuvor unter dem repressive­n Schah-Regime zugemutet worden war.

Denn die islamische Revolution war ursprüngli­ch nicht ausschließ­lich eine solche: Die Religiösen wurden von säkularen, überwiegen­d kommunisti­schen Bewegungen und der Nationalen Front flankiert. Maroufi erzählte im Kulturkell­er von aktuellen Bezügen: „In Berlin ist immer noch das Hauptquart­ier der kommunisti­schen Tudeh-Partei. Diese unverbesse­rlichen Exil-Iraner kommen nie in meine Buchhandlu­ng. Sie lesen keine Bücher, da sie die Wahrheit ja kennen.“

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FOTO: SALZ Abbas Mourafi stellte seinen Roman über den Iran vor.

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