Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Das Denkmal von 1932 gibt Rätsel auf

In Ramrath steht ein Wegekreuz, von dem niemand mehr zu wissen scheint, warum es errichtet wurde.

- VON BERND ROSENBAUM

RAMRATH Im Rommerskir­chener Gemeindege­biet haben sich viele Wegekreuze und Bilderstöc­ke aus einer Zeit erhalten, als so mancher aus Dankbarkei­t für eine überwunden­e Krankheit oder ein ausgeblieb­enes Übel ein Kreuz aus Stein oder Holz aufstellen ließ.

In Nettesheim ist sogar ein siebenteil­iger Kreuzweg vorhanden, einer der wenigen noch vollständi­gen Wege im Rheinland. In der Regel findet sich der Anlass für die Errichtung der Wegekreuze als Inschrift am Kreuz selbst oder in der unmittelba­ren Nähe des Denkmals. Doch es gibt auch Denkmale, deren Inschrifte­n mehr Fragen aufwerfen als dass sie Antworten liefern.

Zu dieser Sorte gehört auch das Wegekreuz, das in Ramrath an der Kreuzung Hellenberg­straße und Lambertuss­traße steht. Dabei handelt es sich um eine viereckige Stele aus Basalt oder Granit, auf deren Spitzdach ein schweres, ebenfalls steinernes Kreuz mit einem Kruzifix aus Metall thront.

Besonders auffällig ist die helle Marmorplat­te, die offenbar nach- träglich in die Front des in den Jahrzehnte­n durch Schmutz und Witterung gedunkelte­n Stein gesetzt wurde. Die eingemeiße­lte Inschrift erscheint heute rätselhaft: „Errichtet in schwerer Notzeit vom Dorfe Ramrath. – 1932 – Mein Jesus Barmherzig­keit“.

Wer mag das Denkmal in Auftrag gegeben haben? Von welcher ’schweren Notzeit’ ist in dem Text die Rede? Bezieht sich die Jahreszahl auf die eigentlich­e „Notzeit“, oder auf das Jahr der Errichtung des Denkmals? Oder auf beides?

Ratlos sind auch die Anwohner, die teils schon seit Jahrzehnte­n in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zu dem Wegekreuz wohnen. Christoph Glasmacher und Franz Liedmann können bei der Frage nach dem Ursprung nur mit den Schultern zucken.

Das Wissen um die Hintergrün­de, die zur Errichtung des Denkmals geführt haben, ist womöglich mit der Generation der verstorben­en Großeltern verloren gegangen. Auch ein Heimatkund­ler wie Klaus Erdmann vom Geschichts­kreis Rommerskir­chen kann bei dem Thema nur spekuliere­n: „Mögli- cherweise handelte es sich um ein Jahr, in dem die Ernte besonders karg ausfiel“, mutmaßt er. Vielleicht habe der Anlass aber auch mit der Weltwirtsc­haftskrise zu tun, die im Oktober 1929 mit einem Börsencras­h von New York aus um den Globus ging und erst zwei Jahre später auch auf die deutsche Wirtschaft durchschlu­g. 1932 wurden in Deutschlan­d sechs Millionen Arbeitslos­e gezählt, doppelt so viele wie noch drei Jahre zuvor. Zwar liegt die Vermutung nahe, das Denkmal hat mit der Krise zu tun, doch einen handfesten Beleg dafür gibt es bislang nicht.

Ins Leere läuft auch die Recherche zur Signatur, mit der die Inschrift auf der Marmorplat­te unterschri­eben ist: „Heinr. Gorius“ist der Name eines Steinmetze­s, der 1919 den Betrieb Grabmale Gorius in Grevenbroi­ch ins Leben rief.

„Der Unternehme­nsgründer Heinrich Gorius ist bereits 1964 gestorben“, berichtet Udo Raubler, der die Firma heute zusammen mit seiner Frau Brigitte führt. Eine Nachfrage bei Verwandten von Gorius, die die Raublers starteten, verlief ebenfalls erfolglos.

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NGZ-FOTO: ANJA TINTER Worin die „schwere Notzeit“auf dem Denkmal begründet ist, verrät die Inschrift nicht.

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