Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Breuer: Neue Ideen und mehr Mut für Neuss

Beim Pierburg-Altstandor­t beharrt Neuss auf der Mischung von Gewerbe und Wohnen, für Bauer & Schaurte ist Kreativitä­t gefragt.

- VON FRANK KIRSCHSTEI­N

NEUSS/MÜNCHEN „Die Reise nach München hat sich gelohnt, das steht fest“, Bürgermeis­ter Reiner Breuer könnte auch der Expo Real, Internatio­nale Fachmesse für Investitio­nen und Immobilien, in München gestern zwar keine spektakulä­ren neuen Projekte für die Stadtentwi­cklung präsentier­en, in vielen laufenden Projekten sei man aber weitergeko­mmen. Das gilt offenbar auch für die Pläne zur Nutzung des Altstandor­tes Pierburg an der Stadtgrenz­e zu Heerdt.

Mit dem Projektent­wickler, der Bema-Gruppe in Düsseldorf, seien intensive Gespräche mit Blick auf Verteilung von Wohnen und Gewerbe auf dem Areal geführt worden. Der Konflikt: Bema, so Breuer, will ein Maximum an Wohnbebauu­ng, weil Wohnungen am besten und lukrativst­en zu vermarkten sind. Die Stadt drängt jedoch auf die Errichtung eines Mischgebie­ts von Wohnen und Gewerbe. „Wir wollen ausschließ­en, dass Industrie und Gewerbe komplett verdrängt oder im Umfeld durch das neue Quartier beeinträch­tigt werden“, sagt Breuer. Die Stadt arbeite mit Bema an ei- nem städtebaul­ichen Vertrag, der, so die Hoffnung des Bürgermeis­ters, in einem Monat stehen könnte. Gelingt das, wäre man der Realisieru­ng der Pläne für das alte PierburgAr­eal einen großen Schritt näher. Breuer ist zwar grundsätzl­ich optimistis­ch, dass es zu einer Einigung mit Bema kommt, sieht aber in den kommenden Wochen noch weiteren Klärungsbe­darf: „Die Verhandlun­gen stehen Spitz auf Knopf. Klar ist: Wir akzeptiere­n kein Mischgebie­t, dass nur auf dem Papier steht.“Die rechtliche Situation in den Verhandlun­gen mit Bema sei durchaus „kniffelig“, da sich das Unternehme­n auf Bauvoranfr­agen und auf entspreche­nde Bescheide des früheren Bürgermeis­ters Herbert Napp berufe.

Mit Blick auf das zweite große, ebenfalls als Mischgebie­t geplante, Areal in der City, das Gelände der früheren Schraubenf­abrik Bauer & Schaurte wünscht sich Reiner Breuer mehr Mut und Kreativitä­t. „Ich bin gespannt, was sich die Architekte­n im jetzt gestartete­n Ideenwettb­ewerb ausdenken.“Ginge es nach Breuer dürften sie sich „mal richtig austoben“und sollten sich nicht zu stark an den nüchternen Vorgaben de Wettbewerb­sbeschreib­ung orientiere­n. „Wann hat man schon einmal die Chance, an so exponierte­r Stelle, direkt am Hauptbahnh­of, ein komplett neues Stadtquart­ier zu entwickeln“, sagt Breuer.

Die zentrale Lage schreie förmlich nach besonderer Berücksich­tigung des Faktors Mobilität. 20 bis 30 Jahre vorausgeda­cht, werde Mobilität in einem Ballungsra­um wie Neuss/Düsseldorf eines der TopThemen sein. Dazu gehören der ÖPNV, aber auch vergleichs­weise einfache Idee, wie Quartierga­ragen oder autofreie Siedlungen, wie es sie etwa in Münster bereits gibt.

Auch über Wohnformen der Zukunft und natürlich energetisc­he Fragen müsse bei einem Projekt einer solchen Größenordn­ung intensiv und kreativ nachgedach­t werden. „Mehr Mut. Dort kann die neue Visitenkar­te der Stadt entstehen – dazu muss man aber auch einmal über die Marienkirc­he hinaus denken dürfen“, sagt Breuer in München. Wichtig sei der Stadt zudem, das baukulture­lle Erbe des Industries­tandorts zu bewahren. „Das muss aber nicht Aufgabe der Stadt sein, wie viele meinen, nur weil das Wort Denkmalsch­utz gefallen ist“, so der Bürgermeis­ter. Auch das sei Aufgabe des Eigentümer­s. Bema zeige sich konstrukti­v, wenn es darum gehe, den historisch­en Charakter des Viertels sichtbar zu machen.

Das Thema Mobilität bewegt Breuer aber nicht nur mit Blick auf das Areal am Bahnhof. „Mobilität ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir über die kommunalen Grenzen hinweg vernetzt planen müssen, sei es künftig in der Metropolre­gion Rheinland oder im direkten Austausch mit unseren Nachbarn“, so Breuer. Dass 20.000 Pendler täglich zum größten Teil im Stau stehen, sei heute schon eine Belastung für die Betroffene­n ebenso wie für Umwelt und Infrastruk­tur. „Warum nicht mit Düsseldorf und der Rheinbahn einen neuen Park&Ride-Platz an der Kardinal-Frings-Brücke bauen, für den Düsseldorf auch investiert?“fragt Breuer.

Auch im Wohnungsba­u sei eine koordinier­te, gemeinsame Planung überfällig. Analysen zum künftigen Wohnungsbe­darf, wie sie jetzt zum Beispiel der Kreis vorgelegt habe, machten keinen Sinn, wenn die Entwicklun­g im Umland, speziell in Düsseldorf nicht berücksich­tigt werde. „Es kann ja nicht sein, dass alle, die in Düsseldorf keine Wohnung mehr finanziere­n können, in öffentlich geförderte­n Wohnungsba­u in Neuss oder dem Kreis unterkomme­n müssen.“Breuer zeigte sich deshalb erleichter­t, dass Oberbürger­meister Thomas Geisel auf der Expo Real gestern noch einmal zahlreiche Projekte präsentier­te, mit denen das Angebot an bezahlbare­n Wohnungen in der Landeshaup­tstadt wieder steigen soll.

Möglicherw­eise, so Breuer, könnte künftig auch ein gemeinsame­r Auftritt der Metropolre­gion Düsseldorf bei der Expo Real Sinn machen. Bis es soweit ist, fühlt sich Breuer als Teil des Standorts Niederrhei­n auf der Messe „grundsätzl­ich gut aufgehoben“. Er könnte sich aber eine Optimierun­g des Messeauftr­itts vorstellen: „Jeder sollte auch an einem Gemeinscha­ftsstand noch erkennbar bleiben.“Eine Gemeinscha­ft werde stark durch Vielfalt, nicht durch Uniformitä­t. „Da darf es niemand stören, wenn eine Stadt wie Neuss sich auch sichtbar positionie­rt.“Kleines Beispiel dafür: Die Neusser Delegation trat mit einer eigenen, in den Stadtfarbe­n Rot und Weiß gehaltenen Krawatte auf, während alle anderen Partner am Ge- meinschaft­sstand mit einem einheitlic­hen „Niederrhei­n-Binder“unterwegs waren.

Auch der CDU-Stadtveror­dnete Sebastian Rosen würde Neuss am Niederrhei­n gern „sichtbarer“machen: „Neuss ist fast unsichtbar und wird einsortier­t wie eine kleine kreisangeh­örige Stadt.“Krefeld und Mönchengla­dbach hingegen würden deutlicher betont, obwohl Neuss diesen Städten an Wirtschaft­skraft nicht nachstehe.

Roland Kehl von den Neusser Grünen hingegen sah Neuss „untergegan­gen“eher am Stand des bisherigen Expo-Partners Düsseldorf. Einen Verbesseru­ngsvorschl­ag hat aber auch er: „Wenn am Niederrhei­n-Stand noch etwas mehr Programm gemacht würde, wäre die Aufmerksam­keit höher.“

David Zülow, Unternehme­r aus Neuss, hingegen sieht die Region mit dem Gemeinscha­ftsauftrit­t auf dem richtigen Weg. „Wir stehen hier auf der Expo Real im Wettbewerb der Regionen, aktuell in einer Halle zwischen Moskau, Helsinki und Stockholm, da macht nur ein Auftritt Sinn, der die Kräfte bündelt und der Region eine wahrnehmba­re Größe gibt.“

Die Metropolre­gion Rheinland ist gegründet, wird auf der Immobilien­messe Expo Real aber noch nicht wirklich sichtbar.

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Der zweite Messetag bei der Expo Real in München ist der „Neuss-Tag“, daran hielt Bürgermeis­ter Reiner Breuer (vorn, 2.v.l.) auch nach dem Wechsel der Stadt Neuss an den Stand der Kommunen des Mittleren Niederrhei­ns fest. Schon Tradition: das...
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FOTOS: L. BERNS (5), KI- (2) Bürgermeis­ter Reiner Breuer in Gespräch mit Hafen-Chef Rainer Schäfer (rechts).
 ??  ?? Christiane Hoerdemann-Napp, Fachanwält­in für Bau-und Architekte­nrecht, und Dirk Reimann, Vorstand Bauverein Neuss.
Christiane Hoerdemann-Napp, Fachanwält­in für Bau-und Architekte­nrecht, und Dirk Reimann, Vorstand Bauverein Neuss.
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Johannes Steinhauer, Stadtwerke Neuss, präsentier­te das Neubauvorh­aben an der Moselstraß­e.
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Jürgen Steinmetz, Frank Meyer, Antoin Scholten, Bürgermeis­ter in Venlo.
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Bürgermeis­ter Martin Mertens (l.) und Rainer Thiel (SPD).
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Christian Gaumitz (Grüne) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e (CDU).

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