Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Viele Fragen zu Anfechtung und Haftung
Das Anfechtungsrecht wurde reformiert, sorgt aber immer noch für Diskussionen. Über Für und Wider, Hintergründe und Chancen diskutierten die Experten beim RP-Wirtschaftsforum „Insolvenz und Sanierung“, ebenso über Haftungsfragen.
Es ist ein Thema, das immer wieder zu Diskussionen führt: Zwar wurde das Anfechtungsrecht in diesem Jahr reformiert. Aber immer noch müssen Geschäftspartner eines sanierungsbedürftigen Unternehmens im Insolvenzfall damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter Leistungen anficht, die je nach Fall bis zu vier oder sogar zehn Jahre zurückliegen. Andererseits erwarten die Gläubiger eine Befriedigung.
„Das Anfechtungsrecht ist ein gutes Mittel, um Masse zu generieren und Mittel zurückzuholen“, verteidigt denn auch Dr. David Georg (Kebekus & Zimmermann) das Instrument. Das neue Recht führe beide Seiten sinnvoll zusammen. Kontraproduktiv sei es allerdings, Privilegien zum Beispiel für das Finanzamt einzuführen. „Das würde zu Lasten der ungesicherten Gläubiger gehen.“
„Die Reform des Anfechtungsrechtes war notwendig“, betont Dr. Paul Fink (FRH Fink Rinckens Heerma). Es sei zum Beispiel gegenüber Handwerksbetrieben nicht vermittelbar gewesen, dass sie Zahlungen für geleistete Arbeiten rückerstatten mussten.
Aus gutachterlicher Sicht sehe das Thema ambivalent aus, meint Michael Hermanns (Buth & Hermanns). Es sei natürlich schwer, „die Feder zu führen bei Fällen, die bis 2003 zurückreichen“, aber etwa betroffene Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer hätten häufig kaum die Legitimation, sich überrascht zu zeigen. Wohl gab es auch missbräuchliche Verwendungen des Instruments. „Überzogene Anfechtungen bringen alle Verwalter in Misskredit“, warnt denn auch Urs Breitsprecher (Mütze Korsch). Oft sei die Haftung einer Muttergesellschaft für Verluste der Tochter zu weit gegangen. „In der Vergangenheit ist man tendenziell zu weit gegangen“, stimmt Dr. Marco Wilhelm (Mayer Brown) zu. Wenn die Anfechtungsrisiken für die Gläubiger schwer kalkulierbar werden, behindere dies indes die vorinsolvenzliche Restrukturierung.
Dass es häufig auch Anfechtungen gegeben habe, die zu weit gingen, bestätigt auch Dr. Dirk Andres (AndresPartner). „Wenn allerdings Geld aus dem Unternehmen gezogen wurde, muss ein Insolvenzverwalter dafür sorgen, dass dies den Gläubigern zugutekommt.“Bei der Anfechtung von Beraterhonoraren mahnt Andres zu Augenmaß, insbesondere, wenn die Beratung nachweislich der Sanierung gegolten habe.
Das Anfechtungsgebaren steht auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Insolvenzzahlen insgesamt, stellt Dr. Volker Hees ( Hoffmann Liebs Fritsch & Partner) fest, der allein in diesem Jahr mehr als 200 insolvenzbezogene Sachverhalte betreut hat. Er beobachtet eine Tendenz zu sinkenden Insolvenzmassen, da die Anträge immer später gestellt würden. Da komme der Anfechtung eine hohe Bedeutung zu: „Sie ist ein wichtiges Instrument, für Insolvenzverwalter Masse zu beschaffen.“
Robert Buchalik (Buchalik Brömmekamp) bemängelt, dass viele Berater solange beraten, bis dem Unternehmen das Geld ausgeht. Insolvenzverwalter sollten gerade in diesen Fällen von den aus seiner Sicht ausreichenden gesetzlichen Regelungen Gebrauch machen und sich die Beraterhonorare im Wege der Anfechtung zurückholen.
„Man muss die Frage stellen: Was ist kaufmännisch wie auch sozialverträglich sinnvoll?“, rät Dr. Marc d’Avoine (d’Avoine Teubler Neu). Vernünftige Lösungen seien gefragt. Es habe „abstruse“Entscheidungen gegeben, „aber wir sind jetzt auf einem guten Weg.“Letztlich hätten auch die Interessenvertreter der Insolvenzgläubiger zu der Ausuferung bei der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen beigetragen und die Häufigkeit der Anfechtung als Gütesiegel für einen guten Insolvenzverwalter angesehen, meint Lars Hinkel (anchor Rechtsanwälte). „Ich warne davor, nur auf die Handhabung von Gesetzen abzustellen“, sagt Dr. Guido Krüger (Beiten Burkhardt). Auch bei der Beurteilung von Verwaltern spreche sich herum, ob jemand mit Augenmaß handelt.
In diesem Zusammenhang werden auch die Berater der Unternehmen immer öfter in die Haftung genommen – insbesondere die Rolle der Steuerberater steht dabei oft im Zentrum. Michael Hermanns (Buth & Hermanns) spricht hierbei von Schönwetterkriterien: „Wenn genug Liquidität im Unternehmen vorhanden ist, muss auch der Steuerberater keine Sorgen haben. Doch wenn Probleme auftreten, dann kann er als erster sehen, wenn ein Unternehmen in die Krise geht – das erkennt jeder gute Steuerberater.“Er geht deshalb davon aus, dass ein Steuerberater seinem Mandanten empfehlen muss, sich externen Sachverstand hinzuzuholen, wenn er etwa selbst nicht in der Lage sei, eine Fortbestehungsprognose zu stellen.
Dem pflichtet Urs Breitsprecher (Mütze Korsch) bei: „Die Rechtsprechung ist in dieser Hinsicht zwar unschön, aber im Sinne der Professionalisierung konsequent.“Und Dr. Matthias Kampshoff (McDermott Will & Emery) ergänzt: „Wenn der Steuerberater früh genug reagiert, reduziert er damit auch die Haftungsrisiken für Geschäftsführung und Unternehmen.“
Dr. Wolf-Rüdiger von der Fecht (von der Fecht) verweist auf die positiven Folgen dieser Beraterhaftung für die Rechtsprechung hin: „Der Druck wird jetzt schon vorher entwickelt, nämlich dann, wenn die Ertragskrise beginnt.“
Robert Buchalik (Buchalik Brömmekamp) empfiehlt, Steuerberater auf diese Problematik frühzeitig hinzuweisen: „Wir müssen Steuerberater im Hinblick auf das Urteil zur Anfechtungsproblematik aufklären. Wenn sie nicht frühzeitig beraten, geraten sie in die Haftung!“„Leider stoßen wir in dieser Hinsicht oftmals auf eine erschreckende Unkenntnis von vielen Steuerberatern“, unterstreicht Dr. Marco Wilhelm (Mayer Brown). „Ich bin aber davon überzeugt, dass die Rechtsprechung zur Haftung der Steuerberater auf Dauer dazu führen wird, dass die Zahl der kritischen Fälle abnimmt.“