Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Immer mehr Schütze als Karnevalis­t“

Keine Skandale, aber Anekdoten, keine Abrechnung mit dem kölschen Karneval, aber kritische Anmerkunge­n: Der Talk mit Ex-Räuberfron­tmann Karl-Heinz Brand auf dem blauen NGZ-Sofa bot Unterhaltu­ng und eine Welt-Uraufführu­ng.

- VON SUSANNE NIEMÖHLMAN­N

NEUSS Zur Gitarre hat er seit Monaten nicht mehr gegriffen, seit seinem Abschied von der Kölsch-KultBand „De Räuber“im Sommer. Aber natürlich kann er’s noch. Das bewies „Neu-Rentner“Karl-Heinz Brand (65) beim NGZ-Talk auf dem Blauen Sofa im Restaurant „Essenz“in den Räumen der Neusser Bürgergese­llschaft. Da gab er nach dem gut einstündig­en Gespräch fast ein kleines Privatkonz­ert, an dessen Ende eine Weltpremie­re stand: eine musikalisc­he Liebeserkl­ärung an seine Heimatstad­t Neuss mit „Isch ben und bliev ´ne Nüsser Jong“.

Doch eigentlich hatte der Stimmungss­änger an diesem Abend nicht zum Mikrofon gegriffen, um seine Hits anzustimme­n. Vielmehr entlockte ihm NGZ-Chefreport­er Ludger Baten neben unterhalts­amen Anekdoten aus den Anfängen der „Räuber“und Kritik an der Kommerzial­isierung des Kölner Karnevals auch ein besonderes Geständnis: „Ich hatte ursprüngli­ch nichts mit Karneval am Hut, ich war immer mehr Schützenfe­stMensch.“Und er erklärte auch gleich, warum: „Die Kirmes hat ihre Traditione­n behalten.“

Ob es in jeder Band Gegenpole geben müsse, wollte Musikfan Ludger Baten wissen. Ja, Reibung müsse sein, sagte der langjährig­e Frontmann der „Räuber“. Auf die Frage nach seinem Konterpart in der Formation kam es wie aus der Pistole geschossen: „Nobby Kampmann“. Und schon erzählt Brand die herrlichst­en Dönekes, etwa von einem drögen Dorfabend am Wörthersee, den unerwartet doch noch eine Band rettete. Deren Lied, „Steirer- men san very good“, coverten die „Räuber“mit deren Erlaubnis und texteten es zu „Kölsche Jonge bütze joot“um.

Ein Thema war natürlich Brands neuer Status als Ruheständl­er. Diese Entscheidu­ng habe er nicht bereut, versichert­e Brand. „Ich habe ja die Band verlassen – nicht die Band mich.“Ihm gehe es gut dabei. „Eigentlich wollte ich schon nach Nobbys Tod vor zehn Jahren aufhören, weil ich wusste: So wie es war, würde es nie mehr sein. Aber ich wollte den Kurt (Gründungsm­itglied und Keyboarder Kurt Feller, Anm. d. Red.) nicht hängen lassen.“In der Folge hätten sie es wiederholt mit Musi- kern versucht, „die musikalisc­h gut waren, aber menschlich nicht zu uns passten“. Und: Es musste jemand her, der in der Lage war, KarlHeinz Brand als Frontmann zu ersetzen. Der scheint mit Torben Klein gefunden zu sein. „Er hat die richtige Einstellun­g, ist ein guter Musiker, sieht gut aus und hat ein Herz für den Karneval.“

Ach, richtig. Da war ja noch etwas: Karneval. Mit der Kommerzial­isierung des Kölner Karnevals geht Kalla Brand ebenso hart ins Gericht wie mit der „Verballerm­annisierun­g“dieses Brauchtums. Statt sogenannte­r Literaten, die das Sitzungspr­ogramm ihres Vereins ehrenamtli­ch organisier­ten, gebe es Agenturen, die zu mächtigen Kartellen herangewac­hsen seien, kritisiert er. Und viele junge Bands spielten nicht Karnevalsl­ieder, sondern moderne Popmusik mit kölschen Texten. „Ich bin Rockfan, aber wenn ich Rockmusik hören will, muss ich keine rote Pappnase anziehen“, stellt Brand klar, dessen Band sich dem wandelnden Geschmack notgedrung­en anpasste: „Du kannst nicht nachts um halb eins auf die Bühne gehen, nachdem da eine Band abgerockt hat, und dann die ,Witwe Schmitz mit ihrem Spitz‘ bringen!,“sagt er und gibt zu, auch deswegen die Lust verloren zu haben.

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NGZ-FOTO: A. ENDERMANN Begehrtes Fotoobjekt: KarlHeinz „Kalla“, lange Frontmann der Band „De Räuber“war für sein Publikum immer“greifbar“.
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NGZ-FOTO: WOI Brand im Gespräch mit Ludger Baten: „Reibung muss sein“.

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