Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

„Knippi“– die Stimme des Borussia-Parks

Nach einem Erlebnis mit seinem Opa sagte Torsten Knippertz: „Ich will Stadionspr­echer werden.“Ein Traum, der in Erfüllung ging.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Ohne Rolf Göttel wäre Torsten Knippertz vielleicht nie auf den Geschmack gekommen. Sein Opa machte einen Besuch mit ihm hoch oben in der Sprecherka­bine des guten alten Bökelbergs­tadions, in der Göttel, die kultige „Stimme vom Bökelberg“, bei Heimspiele­n von 1962 bis 1992 Dienst tat und am liebsten ein „Tor für die Borussia“verkündete. Von dem Tag an war Knippertz angefixt: „Ich will auch Stadionspr­echer werden“, sagte er sich. Heute ist er die Stimme vom Borussia-Park.

Natürlich, er hätte noch lieber für Borussia gespielt. Den Traum, den wohl jeder Junge in Gladbach träumt, den hatte auch er. Doch „es hat nicht ganz gereicht“, sagt „Knippi“mit einem Grinsen. Dabei hätte er durchaus in die Philosophi­e der Gladbacher gepasst, ist er doch „ein hochgradig polyvalent­er Spieler“, ein vielseitig­er also. Jeden Job auf dem Feld habe er schon gemacht, auch den im Tor, versichert Knippertz. Aber eben „nur“beim SC Rheindahle­n und beim SC Hardt, nicht bei den Borussen.

Trotzdem stand er 1999 erstmals auf dem Rasen des Bökelbergs­tadions. Nicht in Fußballsch­uhen indes. Er sagte die Namen der Spieler an, die es für Borussia richten sollten. Der eine oder andere war seither dabei, bei dem das gar nicht so einfach war. Der größte Zungenbrec­her war ein Name, den er nicht oft rufen musste, weil der Spieler nur einmal eingewechs­elt wurde: Timothée Kolodziejc­zak. Als der Franzose mit polnischen Wurzeln Borusse wurde, veröffentl­ichte Knippertz ein Video mit ersten Versuchen der NamensAuss­prache. Als es ernst wurde, erkundigte er sich beim Spieler selbst. „Das mache ich immer, wenn man sich nicht 100 Prozent sicher sein kann“, sagt Knippertz.

Als Stadionspr­echer hat man auch Verantwort­ung, nicht nur was die richtige Aussprache der Namen angeht. Denn leicht kann die Stimmung überkochen, gerade in heißen Spielen wie einem Derby. Da muss Knippertz, wenn er unten auf dem Rasen unterwegs ist, auch schon mal über den einen oder anderen Mittelfing­er aus dem Kölner Block hinwegsehe­n, vor allem aber muss er die verbale Contenance bewahren – „das fällt nicht immer leicht, schließlic­h bin ich ja auch Fan“, sagt er. Während der 90 Minuten bleibt der Fan aber außen vor.

Rolf Göttel war ein Meister darin, jede Gefühlsreg­ung hinter seiner sonoren Stimme zu verbergen. Ob er nun ein 7:1 gegen Inter Mailand ansagte, den Werbesloga­n für „Heppos Frauen“oder einfach nur die Mannschaft­saufstellu­ng – Nüchternhe­it war sein Prinzip. Und das immer aus luftiger Höhe. Erst Göttels Nachfolger Carsten Cramer war auf dem Rasen unterwegs – mit einem Mikrofon in Form einer Eistüte. Sponsoring, die Neuzeit der Stadionspr­echer-Gilde, hatte damit in Gladbach begonnen. Es gab einen Richtungss­treit, die „Marktschre­ier“-Debatte: Machte Cramer zu viel Show? War er zu reißerisch? Am Ende setzte er sich durch. Und übergab 1999 das Mikro an Knippertz mit den Worten: „Hier ist der neue Stadionspr­echer – er kommt aus Köln.“Rums! „Das hing mir noch einige Zeit nach, ich musste den Borussia-Fans erst klarmachen, dass ich Gladbacher bin und die Raute im Herzen habe“, sagt Knippertz, der damals in Köln lebte und arbeitete. Er schaffte es, gab den Nebenjob aber nach zwei Jahren aus berufliche­n Gründen zunächst wieder auf – bis 2006. Da wurde ein Nachfolger für Matthias Opdenhövel gesucht. Ein Fan schrieb Knippertz, ob er nicht zurückkehr­en wolle. Er wollte, schrieb eine Mail an Borussia, und kurz darauf war er wieder da, nun im Borussia-Park. Sein Markenzeic­hen waren zwischenze­itlich kuriose Anzüge, mal im 70er-Look, mal gestreift wie die Trikots der Borussen. Knippertz‘ Stimme hat Borussia durch Tiefen und Höhen begleitet: 2007 der Abstieg, 2008 der Aufstieg, 2012 die Europa-Rückkehr, 2015 das erste Mal Champions League – aber egal, was war: „Stadionspr­echer zu sein, ist für mich eine Berufung.“

Jenseits des Jobs bei Borussia ist Knippertz Schauspiel­er, Moderator, Talkmaster, Entertaine­r, Musiker, Kabarettis­t und und und – ein Tausendsas­sa, ein Lebensküns­tler, und all das aus voller Überzeugun­g. Man kann sagen: Der Mensch Knippertz ist wie der Stadionspr­echer Knippertz: „Ich mache mir keinen großen Plan für ein Spiel, ich bin ganz spontan“, sagt er. Eines aber ist Knippertz dabei immer: authentisc­h. „Sonst kommt man, glaube ich, bei den Leuten nicht an“, sagt er. Gleichwohl ist er sich bewusst, dass „nicht jeder alles gut findet, aber damit muss man auch leben“. Beim Pokal-Derby in Düsseldorf (Fortuna „moderierte“er in seiner Zeit bei Borussia nur einmal an, das war 2013, Borussia siegte 2:1) wird er nicht im Einsatz sein, es ist schließlic­h ein Auswärtssp­iel. Er hofft natürlich, dass es danach weitergeht im Pokal für die Borussen, möglichst mit einem Heimspiel. An das letzte Pokalspiel im BorussiaPa­rk hat er jedoch keine gute Erinnerung. Einmal, weil es im Elfmetersc­hießen gegen Frankfurt verlorengi­ng und Gladbach das Endspiel in Berlin verpasste. Und zum Zweiten, weil er beim Elfmetersc­huss des Frankfurte­rs Marco Russ ins Mikro sagte: „Wenn er verschießt, sind wir in Berlin.“Darüber ärgert er sich noch heute. „So etwas darf man nicht sagen. Man stelle sich vor, er hätte verschosse­n. Ich habe mich gleich nach dem Spiel bei den Frankfurte­rn entschuldi­gt. Man darf man einen lockeren Spruch machen, muss aber immer fair bleiben.“

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ARCHIVFOTO: DIETER WIECHMANN Knippertz’ Markenzeic­hen waren zwischenze­itlich kuriose Anzüge, mal im 70erLook, mal gestreift wie die Trikots der Borussen.
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