Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss
Eine Schule für Allah
DÜSSELDORF Es war ein Vorzeigeprojekt der rot-grünen Landesregierung. Als erstes Bundesland führte NRW 2012 den bekenntnisorientierten Islam-Unterricht an den Schulen ein. Ebenso wie katholische oder evangelische Schüler sollten auch muslimische Kinder ihren Religionsunterricht bekommen. In einem Beirat stimmt sich seither das NRW-Schulministerium analog zu den Kirchen mit Vertretern der Islam-Verbände über Inhalte und Lehrbücher ab.
Das Vorhaben war umstritten. Kritiker äußerten die Sorge, dass der Islam an den Schulen zu großen Einfluss gewinne. Befürworter hielten dem entgegen, dass gerade die Vermittlung der islamischen Religion in der Schule und damit unter Aufsicht des Staates die Kinder davor schütze, islamistischem Gedankengut zu verfallen.
Jetzt steht ein Gerichtsurteil kurz bevor, das für die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts an den Schulen und den künftigen Einfluss des Staates entscheidend ist. Am 9. November findet am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster eine mündliche Verhandlung über die Klage zweier Islamverbände gegen das Land statt. Kurz darauf werde das Gericht seine Entscheidung verkünden, heißt es in Justizkreisen.
Kläger sind der Zentralrat der Muslime und der Islamrat, zu dem auch die umstrittene Bewegung Milli Görus zählt. Die beiden Dach-Organisationen machen einen alleinigen Anspruch auf Einführung des islamischen Religionsunterrichts als ordentliches Lehrfach in den öffentlichen Schulen geltend, weil sie Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes (Art. 7 Abs. 3 GG und Art. 14 LV NRW) seien. Die Islamverbände wollen den deutschen Staat aus dem islamischen Religionsunterricht heraushalten. Sie argumentieren, es sei allein ihre Sache, die Inhalte dieses Unterrichts, ihre Religion und ihr Ver- ständnis von Gott zu definieren. Dem deutschen Staat müsse es sogar versagt sein, bestimmte Mindestanforderungen an den Inhalt religiöser Lehren zu stellen. Darüber hinaus fordern die Verbände für jede islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland einen eigenen Religionsunterricht.
Das Schulministerium pocht dagegen darauf, es müsse vonseiten der Islamverbände eine einheitliche Stimme geben, die autorisiert sei, die Inhalte des Lehrplans festzulegen. Ein solcher Partner sei dem Ministerium nicht bekannt, da es allein für türkische Muslime eine Vielzahl von Organisationen gebe, hieß es. Die neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) setzt sich dafür ein, dass die Kooperation in der jetzigen Form fortgesetzt wird: „Ich setze auf eine weiterhin konstruktive Zusammenarbeit mit den in den Beirat berufenen Vertreterinnen und Vertreter der islamischen Verbände sowie aus Wissenschaft und Religionspädagogik.“
Schon am 8. Dezember 1998 hatten die Verbände ihre Klage eingereicht. Seither nahm sie den Weg durch sämtliche Gerichtsinstanzen. Zwar wurde sie bisher von mehreren Verwaltungsgerichten abgewiesen, so auch vom OVG Münster. Zuletzt aber hatte das Bundesverwaltungsgericht sie wieder nach Münster zurückverwiesen. Die Begründung: Es sei aufgrund der Feststellungen des OVG bisher nicht zu beurteilen, ob es sich bei den beiden Islamverbänden nun um Religionsgemeinschaften handle oder nicht. Das OVG hatte entschieden, weil der Zentralrat der Muslime und der Islamrat Dachverbände seien und keine natürlichen Personen und weil bei ihnen religiöse Angelegenheiten nicht umfassend gepflegt würden, seien sie keine Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes.
Doch das Bundesverwaltungsgericht gab dem OVG noch mehr mit auf den Weg: Selbst wenn die beiden Islamverbände doch Religionsgemeinschaften
„Es wäre fatal, wenn nur Verbände mit einem bestimmten Islamverständnis als Religionsgemeinschaften anerkannt würden“
Mouhanad Khorchide
Islamwissenschaftler