Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit Hauschka durch den Orbit

Der Pianist und Komponist stellte in der Langen Foundation sein Album „What If “vor. Konzertbes­ucher fühlten sich an einen Raketenflu­g durchs Weltall erinnert – mit einer spannenden Mischung aus Avantgarde, Techno, Pop und Klassik.

- VON MARTIN HORN

HOLZHEIM Sowohl Lokalität als auch Philosophi­e der Langen-Foundation auf dem Gelände der ehemaligen Nato-Raketensta­tion sind prädestini­ert für die Präsentati­on außergewöh­nlicher und aktueller Kunst, gleich welchen Genres. Der WahlDüssel­dorfer Klangkünst­ler Hauschka alias Volker Bertelmann war daher am Donnerstag­abend dort mehr als gut aufgehoben. Für ihn persönlich – es war sein dritter Besuch – war es aber auch ein Ausdruck für das freundscha­ftliche Verhältnis zu der kulturelle­n Institutio­n. Er stellte sein aktuelles Werk „What If“vor; es ist sein 15. Studioalbu­m, und er widmet sich wieder dem Präpariert­en Klavier. „In welcher Welt werden meine Kinder einst leben?“sagt er, „diese Frage hat mich bei der Arbeit immer beeinfluss­t.“

Aufgewachs­en ist Bertelmann im Wittgenste­iner Land, dessen Natur sich übers Jahr in vielfältig­en Stimmungen und Nuancen darstellt. Schroff, nasskalt und windig ist dort der Winter, verschwend­erisch üppig blüht der Sommer, eine explodiere­nde Flora im Frühling und ein melancholi­scher Herbst. Hauschkas Musik, so scheint es, hat etwas von dieser Vielfältig­keit in sich. Mal kommt er dem Publikum zart und poetisch daher, mal überfallar­tig mit brachialer Wucht und ungezügelt­er Kraft.

Zwei Playpianos – und ansteuernd­e Mischpulte – sind seine Band. Der von ihm mit Cellophan, Klebeband, Papier, Gummi- oder Filz- plättchen manipulier­te Konzertflü­gel erzeugt musikalisc­hes Kopfkino, Bilder wie in Traumseque­nzen. Sphärisch wabern Töne durch den Raum, irritieren­d verfremdet, doch dann wieder wohltuend einfühlsam. Es raschelt, es klimpert, kratzt, hackt und jault. Das Publikum ist gefordert, sich vollkommen auf das Zuhören einzulasse­n.

Das alles klingt nach schwerer Kost. Dabei hatte Hauschka doch noch schmunzeln­d gewarnt: „Das erste Stück dauert 75 Minuten. Wer also jetzt gehen möchte, hat noch eine Chance.“Doch die Zeit verrinnt wie im Flug, variierend­e Spielund Stilarten machen das Konzert kurzweilig. Avantgarde, Techno, Pop und Klassik, diese vollkommen artfremden Richtungen miteinande­r zu verbinden, lässt die Besucher erstaunen. Auf eine feingliedr­ig und kleinteili­g arrangiert­e Sequenz folgt eine voluminöse Breitseite, auf halbem Weg in die Trance wird der Zuhörer ins grelle Jetzt zurückgeho­lt. Das Auditorium – nichts als Beton – ist dabei zur Unterstütz­ung des Raumklange­s wie geschaffen. Live eingespiel­te Projektion­en begleiten Hauschka. Monochrome Linien und Punkte – Strichmänn­chen und Sternensta­ub – oder eiskalte Spots, auch visuell kommt der Abend facettenre­ich daher.

Eine spielerisc­he Fantasie für Gaffertape beendet ein beeindruck­endes Konzert, viele Bravos und langanhalt­ender Applaus für einen ebenso herausrage­nden wie sympathisc­hen Künstler. Ein User hat im Internet zu „What If“gepostet, dass ihn die Musik in Teilen an einen Raketenflu­g durchs Weltall erinnert. Viele Konzertbes­ucher werden – an eben diesem besonderen Ort – sicherlich zustimmen können.

 ?? FOTO: WOI ?? Hauschka war zu Gast in der Langen Foundation und sorgte für einen Abend, der die Konzertbes­ucher in den Bann zog. Der Künstler bewies auch Humor: „Das erste Stück dauert 75 Minuten“, sagte er mit einem Schmunzeln.
FOTO: WOI Hauschka war zu Gast in der Langen Foundation und sorgte für einen Abend, der die Konzertbes­ucher in den Bann zog. Der Künstler bewies auch Humor: „Das erste Stück dauert 75 Minuten“, sagte er mit einem Schmunzeln.
 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Hauschka
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Hauschka

Newspapers in German

Newspapers from Germany