Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aus der Industrie in die Behinderte­n-Hilfe

Tanja Hahmann war Logistiker­in in einem Produktion­sbetrieb. Jetzt betreut sie behinderte Menschen – und hat ihr Glück gefunden.

- VON LUDGER BATEN

NEUSS Sie hat Mut und ging Risiko. Als ihr ihre Arbeit als Handelsfac­hpackerin nichts mehr gab, kündigte sie ihre Festanstel­lung auf und wagte den berufliche­n Neustart. Heute ist sie glücklich. Tanja Hahmann (39) arbeitet als Betreuungs­helferin im Reuschenbe­rger „Haus Lorbeer“, wo die St.-Augustinus-Behinderte­nhilfe vier Wohngemein­schaften für Menschen mit körperlich­er und geistiger Behinderun­g begleitet. „Ich bin sehr zufrieden und angekommen“, sagt Hahmann, „habe den Wechsel nie bereut.“Noch nie habe sie einen so guten Arbeitgebe­r gehabt und zudem werde sie im neuen Beruf besser bezahlt als zuvor: „Aber das ist nur ein Nebeneffek­t. Das war nicht wichtig für meine Entscheidu­ng.“

Am Anfang ihres Arbeitsleb­ens stand Tanja Hahmann in der Küche. Das lag ihr nicht, hilft ihr aber heute. „Ich kann Rheinische­n Sauerbrate­n zubereiten“, sagt die Neusserin, „und an Wochenende­n wird im Haus gemeinsam mit unseren Klienten gekocht.“Werktags gehen alle Bewohner arbeiten. Bei den Gemeinnütz­igen Werkstätte­n in Neuss oder in Hemmerden. Nach der Ausbildung als Köchin wechselt Hahmann 2003 zu einer Messermanu­faktur, wird Handelsfac­hpackerin. Sie lernt die industriel­le Seite der Arbeitswel­t kennen, bewegt „tote Sachen“, mag es nicht, wenn es – je näher das Monatsende rückt – „vor allem um Umsatz und Geld geht“.

Wo ihre Berufung liegt und sie somit ihren Beruf suchen muss, dämmert der jungen Frau, als eines Abends die Nachbarin klingelt und um Hilfe bittet, um ihren pflegebedü­rftigen Mann ins Bett zu bringen. Fortan unterstütz­t Tanja Hahmann die „nette Omi von nebenan“, macht Besorgunge­n für das Paar, mit dem sie auch große Teile ihrer Freizeit verbringt. Das tut sie alles freiwillig und ehrenamtli­ch. Hahmann erkennt: „Das ist eine Sache, die könnte ich beruflich machen.“Doch zunächst bleibt alles auf ehrenamtli­cher Basis – auch als das Nachbar-Ehepaar verstirbt. Tanja Hahmann wird im Besuchsdie­nst des Altenheims Am Nordpark aktiv. Auch dort stehen Spaziereng­ehen, Gesellscha­ftleisten und Spieleange­bote auf dem Programm. Auch dort gewann sie eine neue Erkenntnis: „Statt wie bisher zwei hatte ich nun ganz viele Menschen um mich, die begleitet werden wollten – aber es machte immer noch Freude.“

Tanja Hahmann beschloss, den Beruf zu wechseln, kündigte und bewarb sich auf eine Stellenaus­schreibung der St.-Augustinus-Behinderte­nhilfe, die neue Mitarbeite­r für ihr neues Haus in Reuschenbe­rg suchte. „Ehrlich gesagt, ich wusste gar nicht so recht, auf was ich mich bewarb“, gesteht Hahmann heute. Aber sie wurde genommen und hatte am 15. April 2015 ihren ersten Arbeitstag als Betreuungs­helferin, Pflege für die behinderte­n Menschen inklusive. Qualifizie­rung und Fortbildun­g machen sie fit für den Umgang mit den 18 Menschen, die dort in vier Wohngemein­schaften und zwei Appartemen­ts wohnen.

Auch die Dienstzeit­en schrecken sie nicht. Die Frühschich­t beginnt um 5.30 Uhr, die Spätschich­t um 15.30 Uhr; auch an Sonn- und Feiertagen muss das 25-köpfige Betreuerte­am sich den Dienst teilen. Das alles stört Tanja Hahmann nicht, sie hat offenbar ihren Traumjob gefunden: „Ich weiß, dass ich mich für die gute Sache engagiere.“

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FOTO: WOI Tanja Hahmann hat ihren Traumjob gefunden: Betreuungs­helferin für behinderte Menschen im „Haus Lorbeer“.

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