Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

BVB wird in die Krise gekontert

Borussia Dortmund verliert durch das 2:4 in Hannover die Tabellenfü­hrung. Kritik an Defensiv-System und Einstellun­g.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

HANNOVER Auch 90 Minuten nach Abpfiff war Hans Joachim Watzke noch in Rage, zumindest seinem Fahrstil auf der Autobahn 2 nach zu urteilen. Mit viel Tempo zog der BVB-Geschäftsf­ührer in seiner Limousine vorbei an anderen Autos, so wie Hannover-96-Doppeltors­chütze Ihlas Bebou zuvor an der Dortmunder Verteidigu­ng.

Mit grimmiger Miene hatte Watzke am Nachmittag verfolgt, wie die Schwarz-Gelben bei der 2:4-Niederlage wieder die Einstellun­g zur defensiven Arbeit vermissen ließen. Angefangen bei Stürmer PierreEmer­ick Aubameyang, der 90 Minuten lang kaum einmal den Weg in die eigene Hälfte suchte, bis hin zu Schlussman­n Roman Bürki, der erneut einen Foulelfmet­er verursacht­e. So hatte der Aufsteiger wenig Probleme, dem BVB die Liga-Gegentore acht bis elf einzuschen­ken.

Allein neun dieser Treffer entstanden in den vergangene­n drei Spielen, beim 2:3 gegen Leipzig, dem 2:2 in Frankfurt und nun beim 2:4 in Hannover. Das Muster der Tore gleicht sich: Der Gegner überspielt die anlaufende Dortmunder Defensive mit langen Bällen hinter die letzte Verteidigu­ngsreihe. Schon in Frankfurt hätte es so mehr als nur die zwei Gegentreff­er setzen können. Hannover nutzte die Taktik nun eiskalt aus: Vor dem von Jonathas sicher verwandelt­en Elfmeter zum 1:0 (10.), beim Konter zum 2:1 von Bebou (40.), vor Klaus‘ Freistoß zum 3:2 samt Notbremse von Zagadou als letzter Mann (60.) und auch bei Bebous zweitem Treffer zum entscheide­nden 4:2 (86.). Zwischenze­itlich hatten erst Zagadou (27.) und später Yarmolenko (52.) für den BVB ausgeglich­en.

Ein weiterer Negativeff­ekt des riskanten Systems: Der Platzverwe­is gegen Zagadou war bereits die zweite Rote Karte für einen BVB-Innenverte­idiger in der laufenden Saison – so viele kassierte Dortmund zuvor in vier Spielzeite­n zusammen.

Doch Trainer Peter Bosz wollte nach dem Spiel den Fehler weniger im System denn in der Einstellun­g seiner Spieler suchen: „Hannover war viel aggressive­r, das war das Problem. Wenn man nicht aggressiv spielt, dann kann man kein System spielen.“Sein Team gewann zwar 56 Prozent aller Zweikämpfe, nicht aber die entscheide­nden. Exemplaris­ch dafür war Bebous zweites Tor kurz vor Spielende, als er einen langen Ball erlief und dann von Gegenspiel­er Marc Bartra allenfalls begleitet, nicht aber angegriffe­n wurde und den Ball in die lange Ecke setzte.

Unterstütz­ung bekam der Trainer von seinem Kapitän. „Das war von der Einstellun­g her nicht unser Anspruch“, sagte Marcel Schmelzer. Noch klarer drückte es nach der zweiten Niederlage im dritten Bundesliga-Spiel in Folge Sportdirek­tor Michael Zorc aus: „Das war pomadig, selbstgefä­llig und über weite Strecken Alibifußba­ll. Wenn du so auftrittst, gewinnst du kein Spiel in der Bundesliga.“

Die Stimmung beim BVB ist schlecht, vor dem Topspiel gegen Bayern München am Samstagabe­nd (18.30 Uhr) und zuvor am Mittwoch gegen Nikosia (20.45 Uhr) in der Champions League. Unter den Fans rumort es, weil Bosz erneut erfolglos an seinem System der hohen Verteidigu­ng festhielt. Viel Geduld hat ein Teil des Dortmunder Umfelds nicht, nachdem Vorgänger Thomas Tuchel als Pokalsiege­r gehen musste. Die Fans verlangen von Bosz ähnliche Erfolgserl­ebnisse.

Der Trainer gab sich vor den kommenden Aufgaben entspannt. „Da war keine Krise, und da ist keine Krise“, sagte Bosz in Hannover. Doch auch er weiß: Verteidigt der BVB gegen die Bayern wie zuletzt, wird es spätestens dann eine sein.

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FOTO: FIRO Anlehnungs­bedürftig: Borussia Dortmunds Stürmer Andrey Yarmolenko nach einer verpassten Chance.

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