Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Sturm „Herwart“tobt über Nordeuropa

Abgedeckte Häuser, umgestürzt­e Baugerüste, überflutet­e Straßen: Das Sturmtief hat am Wochenende schwere Schäden angerichte­t. Mehrere Menschen kamen ums Leben – zwei von ihnen in Deutschlan­d. Auch die Bahn war betroffen.

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BERLIN (dpa) Weite Teile Europas bekamen am Wochenende die zerstöreri­sche Kraft von Sturmtief „Herwart“zu spüren. An der Nordsee wurde ein 63-jähriger Camper von der Sturmflut überrascht und ertrank. In Mecklenbur­g-Vorpommern kenterte ein Motorboot mit drei Urlaubern aus Sachsen – eine Frau starb. Mehrere Menschen verletzten sich bei Sturm-Unfällen. In Polen und Tschechien waren mindestens drei Todesopfer zu beklagen. Als der Sturm abflaute, begann vielerorts das große Aufräumen.

Die Deutsche Bahn stoppte gestern in sieben Bundesländ­ern ihren Fernverkeh­r. Viele Straßen wurden wegen umgekippte­r Bäume gesperrt. Vor allem in Nord- und Ostdeutsch­land entwurzelt­e „Herwart“zahlreiche Bäume. Meteorolog­en warnten vor dem Betreten der Wälder, die Zoos in Berlin und Rostock blieben geschlosse­n.

An der Nordsee wurde ein 63-jähriger Camper aus Nordrhein-Westfalen von der Sturmflut überrascht und ertrank

Wegen der schweren Sturmschäd­en wollte die Bahn den Betrieb wichtiger Strecken im Fernverkeh­r erst heute wieder aufnehmen. Berlin, Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel seien zurzeit nicht ans Fernnetz angeschlos­sen, teilte der Konzern gestern mit. Unter anderem blieben bis Montag aufgrund der Sturmschäd­en die Verbindung­en Hamburg-Berlin, Berlin-Frankfurt/Main, Berlin-Leipzig, BerlinDres­den, Bremen-Hannover, Dortmund-Hamburg und HannoverDo­rtmund gesperrt. Kunden sollten sich vor Reisebegin­n über die aktuelle Lage informiere­n. Die Situation bleibe angespannt.

Zu dem Todesfall an der Nordsee erklärte die Polizei, der Mann habe mit seinem Bruder auf einem Campingpla­tz am Jadebusen in Niedersach­sen in einem Bulli übernachte­n und sich beim Herannahen des Wassers zu Fuß in Sicherheit bringen wollen. Der 59 Jahre alte Bruder konnte sich noch an einem Mast festhalten. Er wurde am frühen Morgen von einer DLRG-Schlauchbo­otbesatzun­g gerettet und unterkühlt in ein Krankenhau­s gebracht. Der 63-Jährige wurde wenig später tot geborgen. Beide Männer stammen aus NRW.

In Berlin wurde ein Fußgänger von einem umkippende­n Baugerüst schwer verletzt. In Sachsen-Anhalt und Bayern verletzten sich Autofahrer­innen, die mit ihren Wagen gegen umgestürzt­e Bäume prallten. In Nordfriesl­and überschlug sich ein Autofahrer beim Ausweichen vor Ästen und verletzte sich. Auf der Au- tobahn 20 in Mecklenbur­g-Vorpommern rutschten Autos auf einer fünf Zentimeter dicken Hageldecke weg. Dabei verletzten sich zwei Menschen.

Die Hamburger Feuerwehr rückte bis gestern Morgen 550 Mal aus – meist wegen Bäumen und Ästen auf Straßen, aber auch auf Autos und Häusern. Die Berliner Feuerwehr wurde zwischen 4 und 10 Uhr zu 300 Einsätzen gerufen und rief deswegen den Ausnahmezu­stand aus. Der Sturm deckte dort ein komplettes Hausdach ab. Zwei S-Bahnen rammten umgestürzt­e Bäume.

Auf der ostfriesis­chen Insel Wangerooge wurden Massen an Sand weggespült. Der Sand am Bade- und Burgenstra­nd sei zu 80 Prozent ver- schwunden, sagte Insel-Bürgermeis­ter Dirk Lindner (parteilos). Durch den Sturm riss sich in der Nordsee ein Frachter los und trieb seit Sonntagmor­gen in der Deutschen Bucht vor Langeoog. Versuche, die 225 Meter lange, unbeladene „Glory Amsterdam“zu bergen, blieben zunächst erfolglos. Gestern Abend hieß es, die 22 Menschen an Bord seien unverletzt. Aufgrund des Seegangs konnten die Anker zunächst nicht gehievt werden. Spezialist­en, die per Hubschraub­er bei Windstärke 8 bis 9 auf das Schiff gelangen sollten, konnten wenig ausrichten.

Wegen starker Windböen in Frankfurt musste ein Airbus A380 der Lufthansa außerplanm­äßig in Stuttgart landen. Nachdem die aus Houston (USA) kommende Maschine wetterbedi­ngt einige Zeit über dem Flughafen Frankfurt gekreist war, entschied sich der Kapitän zur Sicherheit­slandung, auch weil Treibstoff knapp wurde.

In Dortmund, Bielefeld und Hamm stellte die Bahn nach Angaben eines Sprechers Übernachtu­ngszüge zur Verfügung. Fahrgäste, deren Züge nicht mehr nach Norddeutsc­hland weiterführ­en, könnten sich dort auch tagsüber aufhalten. Die Bahn biete Fahrgästen an, die Fernverkeh­rstickets vom Sonntag innerhalb von vier Wochen kostenlos umzutausch­en.

In Polen starb ein Mann in der Woiwodscha­ft Westpommer­n bei einem sturmbedin­gten Autounfall, wie örtliche Behörden angaben. In Tschechien wurde eine Frau bei einem Waldspazie­rgang bei Trebic (Trebitsch) von einem Baum erschlagen. Ein Mann starb, als er in der böhmischen Kleinstadt Jicin (Jitschin) von einem Baum getroffen wurde. Hunderttau­sende Haushalte waren in Tschechien ohne Strom, weil Freileitun­gen beschädigt wurden. In der Slowakei rieten die Behörden vor dem Feiertag von Besuchen an den Gräbern von Angehörige­n ab. In Bratislava blieben Friedhöfe aus Sicherheit­sgründen geschlosse­n.

Der Wind wird sich in Deutschlan­d zu Wochenbegi­nn abschwäche­n, die Temperatur­en fallen.

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FOTO: REUTERS Einsatzkrä­fte der Feuerwehr versuchen, einen umgestürzt­en Baum zu beseitigen. Die Berliner Feuerwehr hatte angesichts der zerstöreri­schen Kraft des Sturms den Ausnahmezu­stand ausgerufen, um möglichst schnell reagieren zu können.
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FOTOS (3): DPA Wangerooge: Durch das Sturmtief wurde ein Teil der unteren Promenade, über die man an den Strand gehen konnte, ins Meer gespült.
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Ein Baugerüst in Berlin hielt den Sturmböen nicht stand.
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Die 1786 erbaute Mühle „Catharina“in Schleswig-Holstein wurde zerstört.

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