Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Falsche Polizisten erbeuten rund 450.000 Euro

- VON STEFANI GEILHAUSEN

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben 21 Düsseldorf­er ihr Vermögen an Betrüger verloren. Im Durchschni­tt gab jeder von ihnen etwa 20.000 Euro Männern, die sich als Polizisten und Staatsanwä­lte ausgegeben haben. Gesamtscha­den bislang: 435.000 Euro.

Der so genannte Enkeltrick, der seit Ende der 1990er Jahre wie eine Seuche übers Land rollte, und zahllose Senioren um ihr Erspartes, einige um ihre Existenz brachte, „ist 3. Liga gegen das, was jetzt passiert“, sagen Experten. Denn die Betrüger erschleich­en sich als Polizisten, Staatsanwä­lte oder Richter das Vertrauen der Opfer.

Dabei hilft ihnen Call-ID-Spoofing. Der englische Fachbegrif­f steht für das Vortäusche­n einer Telefonnum­mer. Aus dem Ausland kann man per Software jede beliebige Telefonnum­mer im Display des Angerufene­n erscheinen lassen. Die Tricktäter verwenden häufig die Vorwahl mit dem Notruf 110 oder der örtlichen Polizeinum­mer – in Düsseldorf die 8700.

„Wir rufen natürlich niemals vom Notruf aus an. Und die Festnetznu­mmer der Polizeidie­nststellen ist immer unterdrück­t“, sagt Lutz Türk, Seniorenbe­auftragter der Polizei. Aber das weiß natürlich nicht jeder. Und die Betrüger, die sich mit„Polizei Düsseldorf“melden, weisen meist extra auf die Nummer hin. Noch bevor der Angerufene sich vom Schreck erholt hat, den so ein Anruf bedeutet, bekommt er die Anweisung, sofort Fenster und Türen zu schließen. „Machen Sie schnell, ich erklär’s Ihnen gleich.“Kaum ist der verschreck­te Angerufene zurück am Hörer, legt der falsche Polizist nach, behauptet, an einem Einbruchst­atort einen Zettel mit der Adresse seines Opfers gefunden zu haben. Das wird dann zunächst beschuldig­t, in den Einbruch verwickelt zu sein – und dann um Hilfe bei den Ermittlung­en gebeten.

„In einigen Fällen wurde parallel ein Notruf abgesetzt, so dass die Polizei mit Blaulicht und Sirene zur Straße des Angerufene­n fuhr. Dann sagte der Anrufer: ,Hören Sie meine Kollegen? Die sind gerade bei Ihren Nachbarn“, berichtet Lutz Türk.

Zeit, um das zu überprüfen oder auch nur darüber nachzudenk­en, lassen die Täter den Opfern nicht. „Spätestens nach zwei Minuten ist der falsche Ermittler wieder am Apparat, das geht manchmal tagelang so“, sagt Türk. Und wenn ein potenziell­es Opfer auf den falschen Polizisten nicht hereinfäll­t, meldet sich gleich darauf ein angebliche­r Staatsanwa­lt (mit der Nummer der Staatsanwa­ltschaft im Display) und behauptet, es sei strafbar, die Polizei nicht zu unterstütz­en. Am Ende steht die Forderung, Geld und Wertsachen einem Polizisten zum Aufpassen zu übergeben, auch das, was auf dem Konto liegt, weil angeblich Bankmitarb­eiter in eine großangele­gte Betrugsakt­ion verstrickt seien. „Das sagt der falsche Polizist dem Opfer angeblich im Vertrauen, erweckt bei dem Angerufene­n so das Gefühl, Teil polizeilic­her Ermittlung­en zu sein“, sagt Türk. Erst kürzlich hat er bei einer Fachtagung neue Fallzahlen gehört – in NRW stiegen sie in knapp zwei Jahren um 1400 Prozent. „Bei 272 Anrufen kam es zu Geldüberga­ben.“Die höchste Summe verlor ein Rentner aus dem Kreis Kleve: Er gab den falschen Polizisten 524.000 Euro.

Nur Aufklärung kann helfen, weiß Türk. Das war auch beim Enkeltrick so, auf den heute nur noch wenige Menschen hereinfall­en. Grundsätzl­ich rät der Seniorenbe­auftragte: „Geben Sie fremden Menschen niemals Geld.“Auch dann nicht, wenn sie sich per Telefon ankündigen und sagen, sie kämen von der Polizei.

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