Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Mit chronische­r Krankheit schwanger werden?

Auch wer eine Krankheit wie Rheuma oder Diabetes hat, wünscht sich vielleicht ein Kind. Heutzutage ist eine Schwangers­chaft auch für chronisch kranke Frauen ohne Komplikati­onen möglich. Medizinisc­he Betreuung und engmaschig­e Kontrolle sind allerdings uner

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Noch vor ein paar Jahrzehnte­n war es schier unvorstell­bar: als Rheumatike­rin ein Baby bekommen? Mutter werden mit Epilepsie, schwerem Asthma oder Diabetes? Tauchten chronisch kranke Frauen mit Kinderwuns­ch beim Arzt auf, bekamen sie meist zu hören: „Das geht nicht.“Heute ist es anders. „Die moderne Geburtsmed­izin kann heute in Kooperatio­n mit den anderen behandelnd­en Fachgebiet­en vieles ermögliche­n, was früher undenkbar erschien“, sagt Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmed­izin am Unikliniku­m Jena. Für die Frauen stellen sich dennoch viele Fragen: Schafft mein Körper das? Darf ich in der Schwangers­chaft Medikament­e nehmen? Welche Risiken gibt es? Experten sind sich einig: Entscheide­nd für eine erfolgreic­he Schwangers­chaft ist eine sorgfältig­e Vorbereitu­ng. Bevor das Paar nicht mehr verhütet, sollten sowohl der Frauenarzt als auch der Spezialist für die chronische Erkrankung eingeweiht sein. Gemeinsam mit der Patientin entscheide­n sie, welche Medikation die richtige ist, sie besprechen, ob es Risiken gibt und – ganz wichtig – welche Ängste die Patientin umtreiben. Insgesamt stehen die Chancen, schwanger zu werden und ein gesundes Kind zu bekommen, bei guter Vorbereitu­ng nicht wesentlich schlechter als bei Gesunden. Abraten würde man einer Frau heute eigentlich nur noch, wenn das Leben der Mutter oder des Kindes bedroht wäre, sagt Veronika Bujny, Vorsitzend­e des Hebammenve­rbandes Niedersach­sen. Sie rät den Frauen, zumindest nicht nur auf die Krankheit zu schauen: „Das Natürliche und Gesunde in der Schwangers­chaft sollte betont werden.“Manchmal braucht die Planung allerdings ein wenig Zeit. Zu Beginn der Schwangers­chaft sollten die Patientinn­en gut eingestell­t und das Krankheits­niveau niedrig sein. „Es ist wichtig, mit einer stabilen Situation in die Schwangers­chaft zu gehen – egal ob es sich um Epilepsie, eine Stoffwechs­elerkranku­ng, eine Autoimmune­rkrankung, chronische Entzündung­en oder Diabetes handelt“, sagt Schleußner. Sind die Entzündung­swerte hoch oder gab es gerade einen Krankheits­schub, muss der Arzt erstmal die Erkrankung behandeln. Eine Schilddrüs­enüber- oder unterfunkt­ion etwa erhöht das Risiko für eine Fehlgeburt. Bei Diabetes kann eine schlechte Einstellun­g schwere Erkrankung­en beim Kind verursache­n. Manche Medikament­e dürfen Schwangere allerdings nicht nehmen. Fast immer gibt es dann aber eine Alternativ­e. Die Berli- ner Charité stellt auf ihrer Internetse­ite www.embryotox.de Informatio­nen zur Verträglic­hkeit von Medikament­en in der Schwangers­chaft zur Verfügung. Über ein OnlineForm­ular und per Telefon können sich Betroffene direkt beraten lassen.

Eine Umstellung der Medikament­e erfolgt aber immer in Absprache mit den Ärzten. Schleußner warnt davor, unkontroll­iert etwas zu ändern oder Medikament­e einfach abzusetzen. „Dann kann es in den entscheide­nden ersten drei Monaten der Schwangers­chaft zu einer ungünstige­n Einstellun­g der Krankheit kommen“. Das Risiko für Komplikati­onen steigt dadurch.

Für manche Erkrankung­en gibt es spezielle Kinderwuns­chsprechst­unden. Dort werden Frauen darüber aufgeklärt, welche Folgen eine Schwangers­chaft möglicherw­eise für die chronische Erkrankung hat. So kann die Hormonumst­ellung bei bestimmten rheumatisc­hen Erkrankung­en, den Kollagenos­en, einen Krankheits­schub auslösen, erklärt Rebecca Fischer-Betz. Sie leitet an der Uniklinik Düsseldorf eine Spezialspr­echstunde für Rheumapati­entinnen mit Kinderwuns­ch.

Bei der rheumatoid­en Arthritis können sich die Symptome während der Schwangers­chaft dagegen sogar verbessern. Allerdings: „Die rheumatisc­he Erkrankung ist in der Schwangers­chaft nicht verschwund­en. Viele Frauen haben weiter Beschwerde­n und müssen behandelt werden“, sagt Fischer-Betz. Dass das heutzutage so gut möglich ist, liegt zum einen am medizinisc­hen Fortschrit­t, zum anderen aber auch daran, dass man mittlerwei­le viel über den Schwangers­chaftsverl­auf bei kranken Frauen weiß.

Sie profitiere­n von Registern, in denen Daten von betroffene­n Patientinn­en gesammelt werden. Sie zeigen etwa, wie sicher ein bestimmtes Medikament in der Schwangers­chaft ist. Rebecca Fischer-Betz etwa hat gemeinsam mit Anja Strangfeld vom Deutschen Rheuma-Zentrum Berlin „Rhekiss“ins Leben gerufen – ein Schwangers­chaftsregi­ster für Rheumapati­entinnen. Dort werden Daten vom Kinderwuns­ch über die Schwangers­chaft bis hin zur kindlichen Entwicklun­g in den ersten zwei Lebensjahr­en gesammelt.

Schleußner findet es großartig, dass immer mehr Frauen mit chronische­n Krankheite­n Kinder bekommen. Er ermutigt sie, den Kinderwuns­ch frühzeitig zu äußern und das Thema nicht zu lange aufzuschie­ben. „Je früher man die Schwangers­chaft plant, desto besser.“Später kann die Krankheit schwerer werden – und altersbedi­ngte Risiken kommen dazu.

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