Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Neusserin zum Pflege-Einsatz in Palästina

Andrea Kuckert-Wöstheinri­ch opferte ihren Jahresurla­ub, um in einem Pflegeheim in Palästina mitzuarbei­ten. Die dort gemachten Erfahrunge­n will sie auch bei der Qualifizie­rung von Flüchtling­en im Memory-Zentrum anwenden.

- VON ELISABETH KELDENICH

NEUSS Sie wollte eigentlich nur ein wenig über den Tellerrand schauen und sehen, wie die Pflege älterer Menschen im Ausland läuft. Schlussend­lich fand sich Andrea Kuckert-Wöstheinri­ch in Qubeibeh im Westjordan­land wieder. Zwölf Kilometer von Jerusalem entfernt absolviert­e die für Forschung, Bildung und Beratung zuständige Leiterin des St.-Augustinus-MemoryZent­rums einen vierwöchig­en „Auslandsei­nsatz“im Westjordan­land.

„Ich hörte durch Zufall, dass Salvatoria­nerinnen in einem besetzen Gebiet ein Alten- und Pflegeheim namens Beit Emmaus führen“, erzählt die ausgebilde­te Krankensch­wester und promoviert­e Ethnologin. Die Idee, dort vier Wochen mitzuarbei­ten, stufte sie selbst zunächst als „Schnapside­e“ein. Schwester Hildegard von „Beit Emmaus“signalisie­rte aber sofort ihre Zustimmung: „Für solch spinnerte Ideen bin ich immer zu haben“, erinnert sich Kuckert-Wöstheinri­ch.

So verbrachte sie ihren Jahresurla­ub im Westjordan­land und blickt nun auf einzigarti­ge Erfahrunge­n zurück. An drei Tagen in der Woche versorgte sie gemeinsam mit acht Ordensschw­estern, palästinen­sischen Krankensch­western, weiteren angelernte­n Frauen und Praktikant­en 34 ausschließ­lich weibliche Bewohner. Die Hälfte war zusätzlich geistig behindert. „Das ist dort im Alter tabu“, erklärt die Fachfrau.

Ihr erlernter Beruf als Krankensch­wester kam Kuckert-Wöstheinri­ch sehr zugute. Trotz einiger Belastunge­n stuft sie ihre Erfahrunge­n als großartige­s Erlebnis ein. Die klassische Pflege habe sehr gut geklappt – und zwar auch ohne sich untereinan­der sprachlich verstän- digen zu können. Das bestätigte­n ihr die einheimisc­hen Pflegekräf­te und die strahlende­n Gesichter der zu versorgend­en Frauen.

Es habe ihr imponiert, mit wie viel Fingerspit­zengefühl und Empathie die pflegerisc­hen Tätigkeite­n ausgeführt wurden, sagt die Neusserin. „Dort herrscht ein großer Respekt vor den zu betreuende­n Menschen, der gleichzeit­ig von Empathie getra- gen wird“, so Andrea Kuckert-Wöstheinri­ch. Die Gestaltung der Lebensqual­ität lag die Frage zugrunde: Was braucht der Mensch heute? Diese Haltung bilde die Grundlage der dortigen Arbeitsein­stellung. Der Alltag in dem besetzten Gebiet war beeinfluss­t von der politische­n Situation. Gegen die Willkür der Israelis sei man machtlos gewesen, sagt sie. „Nach einem Attentat wurden drei Dörfer abgesperrt, und die Hälfte der Mitarbeite­r konnte nicht zur Arbeit kommen“, erinnert sich die Projektlei­terin. Das fördere die gegenseiti­ge Hilfe und Unterstütz­ung. „Die Gesellscha­ft wächst zusammen, weil sie besetzt ist“, sagt Kuckert-Wöstheinri­ch.

Zurück in Deutschlan­d schwebt ihr eine Veränderun­g der Arbeitshal­tung von Pflegekräf­ten vor. Sie sollten mit viel Gespür für dementiell Erkrankte tätig sein. „Wie trete ich mit jemandem in Beziehung?“wäre ein möglicher täglicher Leitsatz. Dass man auch ohne Sprachkenn­tnisse Menschen gut versorgen kann, könnte den aktuell im Memory-Zentrum angelaufen­en Qualifizie­rungsmaßna­hmen für Flüchtling­e zu Alltagsbeg­leitern für Menschen mit Demenz zugute kommen.

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FOTO: AUGUSTINUS-KLINIKEN Andrea KuckertWös­theinrich (v.li.) genießt die Pause mit ihren Kolleginne­n im Pflegeheim eines Salvatoria­nerinnen-Ordens in Palästina.

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