Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Zu Besuch bei den Martinsgän­sen von Kaarst

- VON ELISABETH KELDENICH

Das weiß gefiederte Geflügel ist ein traditione­lles Gericht am heutigen Tag. Doch davon wissen die Tiere - zum Glück - nichts.

KAARST Der Besucher kommt nicht ungesehen vorbei. Aufgeregte­s Schnattern erfüllt die Luft. Hunderte von weißen stattliche­n Gänsen laufen über die Weide von Martin Küppers und scharen sich um ihn, als er sie ruft. „Gänse sind sensible Tiere, sie genießen die menschlich­e Anwesenhei­t und reagieren sehr darauf“, erklärt der Geflügelba­uer. Trotzdem wird kein Tier das Weihnachts­fest erleben – viele schon nicht mehr den heutigen Gedenktag des Heiligen Martin. Sie liegen beim traditione­llen Gänseessen als Braten auf dem Teller. Spätestens am 23. Dezember wird zum letzten Mal geschlacht­et. „Das tut einem schon leid“, gibt Küppers zu. Denn die 1000 Küken waren erst einen Tag alt, als sie im Mai aus Westfalen zu ihm kamen. Küppers hat sich seitdem bemüht, ihr kurzes Leben so schön wie möglich zu gestalten. Nach ein paar Wochen unter Wärmelampe­n ging es raus auf die Weide, nur nachts zum Schutz vor Füchsen in den Stall. Ab November beginnt die hofeigene Schlachtun­g.

Ganz ähnlich geht es bei Bauer Berrisch zu. Hier werden seit der ersten Juliwoche ebenfalls 1000 Gänse aufgezogen. „Stall und Weide sind in der Nähe des Mühlenbach­s und wir müssen in den ersten Wochen aufpassen, dass die Küken nicht ins Wasser fallen“, erzählt Waltraud Hoffmann-Berrisch. Tagsüber hat sie die Tiere fest im Blick – ihr Büro hat die zusätzlich als Steuerbera­terin tätige Bäuerin genau gegenüber der Gänsewiese. „Es ist schon fasziniere­nd zu beobachten, wie sich die Tiere in der Gruppe verhalten und sich im sogenannte­n ‚Gänsemarsc­h‘ fortbewege­n“, berichtet Hoffmann-Berrisch. Das laute Schnattern werde im Lauf der Monate zu einem vertrauten Alltagsbeg­leiter. Wie bei Küppers bekommen die Tiere auch auf dem Hof von Bauer Berrisch Weizen aus eigenem Anbau und verbringen die Nacht zum Schutz vor Füchsen im Stall. Ab Mitte Oktober beginnt dann die „harte Zeit des Schlachten­s“, so die Bäuerin. Es werden nicht nur ganze Gänse angeboten, sondern auch Brust, Keule oder geräuchert­e Teile. „Das reicht oft für eine Person“, erklärt HoffmannBe­rrisch. Am Heiligen Abend ist geöffnet – die letzte Gelegenhei­t, einen schmackhaf­ten Braten für das Fest zu erwerben. Bleibt die Frage, ob bei den Geflügelba­uern selbst Gänsebrate­n auf dem Speiseplan steht. „Ich esse sie auch, aber nicht unbedingt an Weihnachte­n“, sagt Martin Küppers schmunzeln­d. Waltraud Hoffmann-Berrisch veranstalt­et jedes Jahr ein großes Gänseessen mit Kindern, Tanten und Onkeln: „Das hat bei uns Tradition“, verrät sie.

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FOTO: SALZ Nicht alle werden überleben. Gänse – wie die von Martin Küppers – landen heute auf vielen Tellern.

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