Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aus dem Scheitern lernen

Bei der ersten sogenannte­n Fuckup-Night in Neuss schilderte­n Gründer, wie sie mit ihrem Start-up gescheiter­t sind – und weshalb sie daraus gestärkt hervorgega­ngen sind. Rund 200 Besucher schauten im Gare du Neuss vorbei.

- VON VERA STRAUB-ROEBEN

NEUSS In der Start-up-Szene gehören Fehlschläg­e zur Normalität. Nahezu 75 Prozent aller deutschen Gründer halten nicht länger durch als drei Jahre. „Gründe dafür gibt es viele – und die gilt es zu erzählen, um andere davor zu bewahren, dieselben Fehler zu machen“, erklärt Martin Kretschmer, der mit seiner Düsseldorf­er Agentur Blanko jetzt gemeinsam mit der Wirtschaft­sförderung des Rhein-Kreises Neuss die erste sogenannte Fuckup-Night im Gare du Neuss veranstalt­ete. „Scheitern ist ein wichtiger Bestandtei­l, mit dem man am Ende Erfolg generieren kann. Weil es Teil des Innovation­sprozesses ist.“

Bei den Fuckup-Nights berichten Gründer profession­ell und mit Humor über ihr Scheitern. Zum einen, damit anderen Gründern nicht diegleiche­n Fehler passieren. Zum anderen, damit die Gesellscha­ft das Image einer gescheiter­ten Gründerper­sönlichkei­t als „Versager“überdenkt. Rund 200 Besucher verfolgten also gespannt, wie drei Gründer über die hohe Kunst des Scheiterns und die noch höhere Kunst, gestärkt daraus hervorzuge­hen, sprachen.

Den Anfang machte Christian Paul Stobbe aus Neuss. Er gründete vor zehn Jahren mit seinem Kumpel Marcus Noack das Transferpo­rtal für Amateurfuß­baller namens trafema.de – und damit den „Fuckup meines Lebens“. Inzwischen weiß er aber sein Scheitern mit Humor zu nehmen: „Nichts gegen Männer mit diesem Namen, aber es war ,der Kevin der Internetpo­rtale’“, gibt er unumwunden zu. Was zunächst nach einer erfolgreic­hen Idee aussah, mündete in der Insolvenz, erst An- fang dieses Jahres, zehn Jahre nach der Gründung also, konnte das Verfahren abgeschlos­sen werden. „Meine wichtigste Errungensc­haft aus dieser Zeit: ein Bullshit-Detektor“, so Stobbe. „Die wichtigste­n Lektionen: Achtet darauf, wer euch berät. Familie und Freunde eignen sich dafür nicht. Schaut euch die Investoren genau an, und behaltet die Kontrolle im Unternehme­n und über die Kosten. Arbeitet nur mit Profis und verliert nicht den Fokus.“Heute arbeitet er als Managing Partner & Founder, aktuell befindet sich „NAFA – Not another Fucking Agency“in der Gründung.

Dann betrat Annett Reimers die Bühne. „Sie hätte eigentlich Judith Williams werden sollen“, kündigte Kretschmer sie an. Doch es kam anders, denn sie hat sich nach ihrem Erfolg mit Gesundheit­sprodukten im Teleshoppi­ng mit einer Bestellung von selbst designtem Magnetschm­uck übernommen. „Ich habe viel daraus gelernt und viele Erfahrunge­n sammeln müssen“, sagt sie. „Vor einigen Jahren dann habe ich meine Erfahrunge­n mit meiner Leidenscha­ft verbunden und berate seitdem Hotels.“Sie rät Gründern: „Man sollte immer einen Plan B haben.“– „Gescheiter­t und trotzdem glücklich“ist Peter Wiedeking, den viele aus „Die Höhle der Löwen kennen“, wo er vergangene Woche die App „Too good to go“gepitcht hat. Doch darum ging es bei der Fuckup-Night nicht. Ihm und seiner Frau Susanna schwebte schon lange eine Geschäftsi­dee vor: regionale und Bio-Lebensmitt­el nach Hause liefern. 2013 machten sie ernst und gründeten die „Abendtüte“. Aufgegeben haben sie es nur, weil die Philosophi­e eine – nötige – Expansion nicht vorsah. Als Niederlage sieht Wiedeking das aber nicht. „Hätten wir es nicht versucht, wäre es viel schlimmer.“

 ?? FOTO: ATI ?? Sie schilderte­n ihre Erfahrunge­n auf der Bühne (v.l.): Christian Paul Stobbe, Annett Reimers und Peter Wiedeking.
FOTO: ATI Sie schilderte­n ihre Erfahrunge­n auf der Bühne (v.l.): Christian Paul Stobbe, Annett Reimers und Peter Wiedeking.

Newspapers in German

Newspapers from Germany