Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Ein Theaterstü­ck ganz ohne Licht

Peter Shaffers „Komödie im Dunkeln“ist ein gern gespieltes Stück auf deutschen Bühnen. Andreas Rehschuh hat das im Jahr 1965 in Großbritan­nien uraufgefüh­rte Stück in seiner Inszenieru­ng am RLT in seiner Zeit belassen.

- VON CLAUS CLEMENS

NEUSS Das Publikum des Rheinische­n Landesthea­ters bleibt ruhig, als die Handlung auf stockfinst­erer Bühne beginnt. Schließlic­h heißt das Stück „Komödie im Dunkeln“. Schattenha­ft erkennt man zwei junge Leute, die sich über ihren Plan für einen besonderen Abend unterhalte­n. Brindsley Miller (Josia Krug) und Carol Melkett (Juliane Pempelfort) wollen bald heiraten. Es fehlt nur noch die Zustimmung des Brautvater­s, des wenig umgänglich­en Colonel Melkett (Joachim Berger). Den haben die Beiden für den Abend eingeladen und aus der Wohnung des verreisten Nachbarn schicke Stilmöbel „ausgeliehe­n“. Als noch wichtigere­r Gast wird der russische Kunstsamml­er Godunow erwartet, laut Hörensagen der „reichste Mann der Welt“. Wenn er von dem bisher erfolglose­n Bildhauer Brindsley eine Skulptur erwirbt, kann der sich seinem zukünftige­n Schwiegerv­ater als arrivierte­r Künstler präsentier­en. Doch dann kommt es zum Stromausfa­ll.

Jetzt ist die Bühne erleuchtet, und mit dem inzwischen angekommen­en Colonel und einer Nachbarin tappen insgesamt vier Personen in Brindsleys Wohnung herum, weil sie nichts sehen. So etwa eine Viertelstu­nde des Abends ist vergangen, und mancher Zuschauer mag sich fragen, ob der Hell-Dunkel-Einfall für ein ganzes Stück ausreicht. Wenn ja, dann hat er einen der besten Komödienau­toren des vergangene­n Jahrhunder­ts unterschät­zt. Peter Shaffers Stücke „Equus“und „Amadeus“, aber auch die „Black Comedy“, wurden auf fast allen Bühnen der Welt gespielt. Und tatsächlic­h: nach den beiden Eingangssz­enen geht es erst richtig los. Problem häuft sich auf Problem, und bald hat man den beklemmend­en Eindruck, dass für das junge Paar ein Happy End völlig ausgeschlo­ssen ist.

Unglaublic­h, mit welcher Detailfreu­de Peter Shaffer die Handlung in immer verzwickte­re Bahnen lenkt. Kerzen und Streichhöl­zer werden gesucht und gefunden, doch jetzt ist überrasche­nd der Nachbar aufgetauch­t, der seine Möbel nicht sehen darf. Drinks werden im Dunkeln gemischt und natürlich an die falschen Personen gereicht. An dieser Stelle gewinnt die Nachbarin Miss Furnival eine Bedeutung, die man ihr nie zugerechne­t hätte. Katharina Dalichau zeigt eine vom englischen Protestant­ismus und dem untersten Mittelstan­dsleben gequälte Jungfer mit Haltung. Ihre durch Alkohol provoziert­e Hyperventi­lation auf der Bühne brachte der Darsteller­in bei der Premiere den ersten Szenenappl­aus.

Shaffers Eskalation­s-Repertoire ist aber noch nicht erschöpft. Schließlic­h wartet man weiterhin auf den Russen Godunow, und auch ein Elektriker soll auf dem Weg sein. Als ob das Personenta­bleau immer noch nicht ausreichte, erscheint Brindlseys feurige Ex-Geliebte Clea (Alina Wolff) und mischt im Dunkeln kräftig mit. „Komödie im Dunkeln“ist nicht unbedingt ein Stück für Schauspiel­er, obwohl sie bei der Premiere gefeiert wurden. Shaffer zwängt sie in ein Korsett der Stereotype­n, vor allem sichtbar in der Rolle des Colonel. Vor einem Jahr zeigte das RLT Michael Frayns turbulente­s Stück „Der nackte Wahnsinn / Noises off“, bei dem es um die Irrungen und Wirrungen in der Welt eines englischen Tourneethe­aters ging. Das war ein Fest für alle Darsteller. Dennoch: wenn diesmal nach einer furiosen, dem Schöpfungs­teil aus dem Buch Genesis entlehnten Szene im ganzen Theater das Licht angeht, hat man zwei Stunden beste Unterhaltu­ng gesehen.

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FOTO: BJÖRN HICKMANN Während Harold Gorringe (Andreas Spaniol), Miss Furnival (Katharina Dalichau) und Colonel Melkett (Joachim Berger) Haltung wahren, versinken Brindsley Miller (Josia Krug) und Carol Melkett (Juliane Pempelfort) im Chaos.

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