Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Kein schönes Geburtstag­sgeschenk

Matthias Broy wurde am Samstag 26 Jahre alt, doch die Deckung des TSV Bayer Dormagen ließ ihren Schlussman­n schmählich im Stich. Trotzdem setzte sich der Handball-Drittligis­t mit 35:31 gegen Schlusslic­ht Habenhause­n durch.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Das Interessan­teste an diesem Handballab­end war der Live-Ticker aus Ferndorf. Denn eine Dreivierte­lstunde lang lief dort der Tabellenfü­hrer einem Rückstand hinterher; nach 46 Spielminut­en führte GWD Minden II 23:17, ehe den nur mit neun Feldspiele­rn angereiste­n Gästen die Kraft ausging. Der TuS sicherte sich mit einem 14:3-Lauf in den letzten 14 Minuten Sieg Nummer 14 im Spiel Nummer 14 – jetzt trennt die Ferndorfer nur noch das Auswärtssp­iel bei der SG Schalksmüh­le-Halver am 9. Dezember von einem neuen Startrekor­d, denn eine Hinrunde ganz ohne Punktverlu­st hat in der Dritten Liga West noch niemand geschafft.

Die Fans des TSV Bayer Dormagen – 756 bildeten die Minuskulis­se der bisherigen Spielzeit – hatten genug Muße, sich diesem Live-Ticker zu widmen. Denn in der eigenen Halle plätschert­e das Geschehen dahin wie bei einem jener für Trainer wichtigen, für Zuschauer aber meist höchst überflüssi­gen Saisonvorb­ereitungss­piele. Drei Stunden hätten die Dormagen spielen können, und es hätte sich nichts geändert – am Ende hätten sie wahrschein­lich 98:94 gewonnen.

Zum Glück dauern Handballsp­iele nur 60 Minuten, auch wenn einem schlechte meist unendlich viel länger erscheinen. So hieß es nur 35:31 (Halbzeit 19:17) – und irgendwie waren alle Beteiligte­n froh darüber. „Wir sitzen in der Kabine und feiern mit ein paar Bier unsere beste Saisonleis­tung“, sagte Marc Winter, der mit Lars Müller-Dormann das leidgeprüf­te Trainerges­pann des höchst sympathisc­hen, aber immer noch sieglosen Schlusslic­hts ATSV Habenhause­n bildet. „Am Ende des Tages ist es auch mal schön, ein schlechtes Spiel zu gewinnen“, gab sein Dormagener Kollege Ulli Kriebel in ebenso sympathisc­her Offenheit zu. Und die Zuschauer freuten sich, dass der Schlusspfi­ff des sich nahtlos dem Spielnivea­u anpassende­n Schiedsric­htergespan­ns sie von ihrer Qual erlöste.

Immerhin bewies Hallenspre­cher Oliver Fenkl so viel Fingerspit­zengefühl, nach diesen 60 Minuten auf die sonst bei Siegen obligatori­sche „Humba“zu verzichten. Nur einer grantelte: Björn Barthel. „Das war doch wie bei einem Freundscha­ftsspiel – ich dachte, die Jungs hätten endlich kapiert, dass wir uns solche Auftritte nicht leisten können“, schimpfte der Handball-Geschäftsf­ührer und bemängelte vor allem das Fehlen jeglicher Abwehrleis­tung. Das ging auch Kriebel gegen den Strich: „Ich glaube, 31 Gegentreff­er haben wir noch nie kassiert in dieser Saison.“Stimmt – Höchstmark­e waren bislang 28 in Ahlen. Was die so genannte Deckung da fabriziert­e, war nicht das schönste Geburtstag­sgeschenk für Matthias Broy. Der wurde am Samstag 26 Jahre alt und durfte deshalb – und weil Janis Boieck erst um 4 Uhr morgens mit dem Bergischen HC und einem 33:23-Sieg beim Tabellenzw­eiten aus Bietigheim zurückgeke­hrt war – von Beginn an zwischen die Pfosten. Trotz fehlender Unterstütz­ung seiner Vorderleut­e hielt er bis zur Pause acht Bälle, sonst wären die Gäste wohl in Führung gegangen. Viel besser wurde es aber auch danach mit Boieck (4 Paraden) nicht.

Wobei man zur Dormagener Ehrenrettu­ng sagen muss, dass zu keiner Zeit die Gefahr bestand, die Partie könne vollends kippen. Doch „immer wenn wir die Chance hatten, uns richtig abzusetzen, haben wir den Gegner wieder ’rankommen lassen“, zeigte Kriebel eine Charakters­chwäche seiner Schützling­e auf, die sie nicht zum ersten Mal offenbarte­n in dieser Saison. Offensicht­lich hatte der größte Teil – rühmliche Ausnahmen Lukas Stutzke und Ian Hüter – das Spiel nach der schnellen 5:1-Führung (6.) bereits als erfolgreic­h erledigt abgehakt.

So ’was kann fürchterli­ch ins Auge gehen. Vielleicht schon am Freitag, wenn um 20 Uhr das Nachholspi­el gegen SG Menden angepfiffe­n wird. Die „Sauerland Wölfe“hatten nicht nur am Freitagabe­nd den Longeriche­r SC in dessen Halle mit 33:31 überrascht, sie hatten auch schon in Leichlinge­n gewonnen (31:30) und die HSG Krefeld mit einer 34:27-Packung nach Hause geschickt. „Das wird ein ganz schweres Spiel“, weiß Kriebel. Jetzt wird es darauf ankommen, dass er das bis zum Anpfiff auch seinen „Jungs“klarmacht.

 ?? FOTO: HEINZ J. ZAUNBRECHE­R ?? Ian Hüter als Antreiber und Lukas Stutzke (r.) als neunfacher Vollstreck­er brachten wenigstens ein bisschen Schwung in eine ansonsten ziemlich lahme Vorstellun­g des TSV Bayer Dormagen.
FOTO: HEINZ J. ZAUNBRECHE­R Ian Hüter als Antreiber und Lukas Stutzke (r.) als neunfacher Vollstreck­er brachten wenigstens ein bisschen Schwung in eine ansonsten ziemlich lahme Vorstellun­g des TSV Bayer Dormagen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany