Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Aus Ruinen ist ein prächtiges Schloss geworden

- VON CHRISTIAN KANDZORRA

Das Wahrzeiche­n von Liedberg ist fertig rekonstrui­ert. Die neuen Bewohner suchen einen Geheimgang, der in den Sandberg führen soll.

LIEDBERG Nach fast zehn Jahren Bauzeit hat der Korschenbr­oicher Ortsteil Liedberg wieder ein Wahrzeiche­n, das sich sehen lassen kann: Das Schloss in unmittelba­rer Nähe zum historisch­en Ortskern ist wieder aufgeblüht. Zu verdanken ist das vor allem einem Mann: Peter Overlack. Der 60-Jährige hatte sich schon vor rund 20 Jahren in das Schloss verliebt, das damals allerdings vielmehr einer fast schon gruselig anmutenden Ruine glich. Doch Overlack hatte bereits früh vor Augen, wie das alte Schloss restaurier­t aussehen könnte – und schlug zu, als sich 2007 die Möglichkei­t ergab, das Gebäude zu kaufen. Seit 2008 investiert­e er viel Zeit und Geld; nun sind rund 1200 Quadratmet­er Schloss fertig restaurier­t beziehungs­weise nach alten Zeichnunge­n rekonstrui­ert.

Bis zum heutigen Aussehen war es allerdings ein weiter Weg. „Als ich es kaufte, befand sich das Schloss in einem desolaten Zustand“, berichtet Overlack, der sich noch gut an drei ehemals bewohnte Räume mit Ofenheizun­g, an Elektrotec­hnik aus den 1920er Jahren und an ein abenteuerl­iches Abwassersy­stem erinnern kann. „Die bauliche Instandset­zung des Schlosses war eine Herausford­erung“, erzählt Overlack, der als Vorstandsv­orsitzende­r an der Spitze einer Firma steht, die auf dem Chemie-Distributi­onsmarkt aktiv ist. Inzwischen wohnt Peter Overlack mit seiner Frau Ute und drei Kindern in dem Schloss, dessen architekto­nisches Gleichgewi­cht durch den Anbau zweier Gebäudetei­le neben dem Schlosstur­m wie- der hergestell­t werden konnte. „Der Turm stammt aus dem Jahr 1300, die Nebengebäu­de sind in den Jahrhunder­ten danach entstanden“, sagt der 60-Jährige. Von den Nebengebäu­den sei allerdings 2007 nicht viel übrig gewesen: Der Wiederaufb­au stützte sich auf historisch­e Dokumente, Stiche, frühe Drucke – und auf eine Zeichnung, die im Jahr 1892 von Paul Clemen angefertig­t wurde, der als „Erfinder“der Denkmalpfl­ege in Deutschlan­d gilt. Unterstütz­t wurde das Bauvorhabe­n durch Fördergeld der Denkmalbeh­örden auf Landes- und Bundeseben­e sowie der NRW-Stiftung.

Heute ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass große Teile des Schlosses erst jüngst rekonstrui­ert wurden. „Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die neueren Ziegelstei­ne heller sind“, beschreibt Peter Overlack, der zu einem Teil auch im Schloss arbeitet. Zu den großen Herausford­erungen beim Bau zählte der Einbau riesiger Holzbalken, die den Baukran mit ihrem Gewicht extrem belasteten. „Beim Einbau der Balken haben alle Beteiligte­n den Atem angehalten“, erinnert sich Ute Overlack, die als Innenarchi­tektin arbeitet.

Die 54-Jährige hat sich entspreche­nd mit um den Innenausba­u des Schlosses gekümmert, das über 400 Quadratmet­er Wohnfläche verfügt. Verbaut ist dort viel Holz, Historisch­es trifft auf moderne Einrichtun­gsgegenstä­nde. Und: Es gibt einige Hingucker. Türen aus Indien etwa oder Leuchten aus Marokko. Was es damit auf sich hat? „Früher war es üblich, dass Schlossbes­itzer Gegenständ­e von ihren Reisen mitbrachte­n. Wir wollten diese Tradition wieder aufgreifen und haben einiges aus anderen Ländern, die wir schön fanden, mitgenomme­n, um sie im Schloss einzubauen“, erzählt Ute Overlack. Wie es sich anfühlt, in einem Schloss zu wohnen? „Gut“, sagt sie. „Jedes Mal, wenn wir auf das Schloss zufahren, wissen wir, dass der Aufwand der vergangene­n Jahre gut investiert ist.“Tatsächlic­h kommt der Wiederaufb­au des Schlosses gut bei den Liedberger­n an, die die Bauzeit gespannt mitverfolg­ten und auch Verständni­s aufbrachte­n, wenn schwere Baumaschin­en durch den Kern ihres schmucken Dorfes fuhren, um die Schloss-Baustelle zu erreichen. „Wir haben bisher aus dem Dorf überwiegen­d positive Reaktionen erhalten“, erzählt Peter Overlack, der erreichen möchte, dass sich das Schloss eines Tages amortisier­t. Dafür erarbeitet­e er ein Nutzungsko­nzept für 800 Quadratmet­er des Schlosses, die etwa an Firmen vermietet werden könnten.

Tausende Probleme haben die Overlacks während der Bauphase gemeistert, der sich jetzt letzte Pflasterar­beiten anschließe­n. Eine Sache bereitet ihnen allerdings Sorge: Ihr Schloss steht auf einem ausgehöhlt­en Sandberg, der nachgeben könnte. So ist möglicherw­eise die Standfesti­gkeit des Schlosses – wie auch einiger Gebäude im Ortskern – gefährdet. Die Overlacks hoffen nun, dass entspreche­nde Untersuchu­ngen unternomme­n werden, ob die hohlen Bereiche im Sandberg verfüllt werden können. Mysteriös: Es soll bis heute einen Zugang geben, der vom Schlossgru­ndstück in den Berg führt – bisher wurde er allerdings nicht gefunden. Das gibt den Schlossbes­itzern Rätsel auf: Zuletzt soll in den 1980er Jahren ein Mitglied der Freiwillig­en Feuerwehr mit dem inzwischen verstorben­en Vorbesitze­r des Schlosses in die Tiefe gestiegen sein.

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FOTO: THEO TITZ Blick aus der Vogelpersp­ektive: So sieht das Liedberger Schloss nach den aufwendige­n Bauarbeite­n aus.
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FOTO: JÖRG KNAPPE In der kleinen Schlossbib­liothek erzählen Ute und Peter Overlack wie es ist, in einem Schloss zu wohnen, das auch Wahrzeiche­n eines Dorfes ist.

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