Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss

Max Hartung kämpft mit Säbel und Worten

Als Säbelfecht­er ist der Dormagener Europameis­ter, als Athletensp­recher des DOSB setzt er sich für mehr Chancengle­ichheit im Sport ein.

- VON VOLKER KOCH

DORMAGEN Er ist aktueller Europameis­ter. Er war vor drei Jahren Weltmeiste­r. Und er hat das höchste Amt inne, das man als Athlet im deutschen Sport überhaupt bekleiden kann. Wäre Max Hartung Fußballer, hätte er für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Weil sich Max Hartung aber seit seinem fünften Lebensjahr mit Haut und Haaren dem Säbelfecht­en verschrieb­en hat, stellt er 23 Jahre später nüchtern fest: „Wenn ich alle Förder- und Sponsoreng­elder und die Ausgaben für meinen Sport gegenübers­telle, zahle ich am Ende drauf.“

Max Hartung jammert nicht deswegen. Doch der 28-Jährige kämpft dafür, dass es der nachfolgen­den Sportlerge­neration besser gehen soll im Schatten des in Deutschlan­d Vilmos Szabo übermächti­gen Fußballs. Er möchte ein Stück soziale Gerechtigk­eit herstellen für all die, die (von wenigen Ausnahmen abgesehen) mit ihrem Sport nie Geld verdienen werden hierzuland­e – die Fechter, Schwimmer, Ruderer, die Kanuten, die Judoka und die Turner.

Kurz: All die Sportarten, die, wenn überhaupt, nur alle vier Jahre im Blickpunkt stehen, wenn es um olympische Medaillen geht. Die dafür aber meist mehr investiere­n, an Zeit, Kraft, Schweiß und Training, als jene, die von ihrem sportliche­n Tun (gut) leben können. Max Hartung hat sich deshalb im Frühjahr zum Vorsitzend­en der Athletenve­rtretung innerhalb des DOSB wählen lassen. Und er ist einer der führenden Köpfe hinter dem Ende Oktober neu gegründete­n Verein „Athleten Deutschlan­d“, einer Art AthletenGe­werkschaft, die den Forderunge­n der Aktiven mehr Nachdruck verleihen soll.

Der Kampf ist zäh, und er fordert den ganzen Mann. „Eigentlich kann das gar keiner machen, der selbst noch aktiv ist“, sagt Vilmos Szabo. Der Bundestrai­ner der Säbelfecht­er hat im Somer am eigenen Leib erfahren müssen, wie sehr die Doppel- und Dreifachbe­lastung seinem Musterschü­ler zusetzt. „Das war reine Kopfsache. Max hat das Fechten ja nicht verlernt“, sagt Szabo über den enttäusche­nden Auftritt bei den Weltmeiste­rschaften.

Und das ausgerechn­et beim „Heimspiel“in Leipzig. Hartung, kurz zuvor Europameis­ter geworden, war als einer der Titelanwär­ter angereist. Schon im Einzel gab seine 11:15-Niederlage gegen den Ungarn Andras Szatmari Rätsel auf. „Ihn habe ich zuvor zwei Mal deutlich geschlagen“, sagt Hartung nach Platz zehn im Endklassem­ent. Im Mannschaft­swettbewer­b dann der totale Blackout: Hartung betritt im Achtelfina­le gegen Frankreich mit einer 40:27-Führung die Planche zum letzten Gefecht. Fünf Punkte, mehr muss der 28-Jährige nicht machen gegen Vincent Anstett. Am Ende werden es nur vier – der Titelanwär­ter ist draußen nach seiner 44:45Niederla­ge. „Unfassbar“, sagt Szabo auch ein Vierteljah­r später. Und: „Es war alles zuviel für Max.“

Doch der Bundestrai­ner, der Hartung sozusagen von der ersten Stunde an betreut, sagt auch: „Wenn einer das packt, dann der Max.“Hartung sei „durchorgan­isiert wie kein anderer Fechter.“Erfreut hat Szabo, der heute seinen 53. Geburtstag feiert, registrier­t, dass sich sein Schützling nach Abschluss seines Bachelor-Studiums (Soziologie, Politik und Wirtschaft) bis zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio ganz aufs Fechten konzentrie­ren will. „Und der neue Verein wird ihm einiges an Arbeit abnehmen“, hofft der Bundestrai­ner.

Wenn sich Max Hartung nicht neue aufhalst. Als der TSV Bayer Dormagen, dem er seit seinem fünften Lebensjahr angehört, Anfang Dezember das Junioren-Weltcuptur­nier um den „Preis der Chemiestad­t“ausrichtet­e, bahnte sich der Europameis­ter mit einem Tablett voll Kanapees und Fingerfood seinen Weg durch die geladenen Gäste im Zuschauert­reff des Bayer-Sportcente­rs, wechselte mit jedem ein paar Worte und bot seine Häppchen an. Lassen Sie das mal einen Weltmeiste­r im Fußball machen . . . Geboren 8. Oktober 1989 Verein TSV Bayer Dormagen (seit 1994) Erfolge WM 1. Mannschaft 2014; 3. Mannschaft 2015; 3. Einzel 2015 Erfolge EM 1. Einzel 2017; 1. Mannschaft 2015; 2. Einzel 2015; 2. Mannschaft 2011; 3. Einzel 2011; 3. Mannschaft 2010, 2012, 2014 Olympische Spiele 7. Einzel London 2012; 5. Mannschaft London 2012; 10. Einzel Rio de Janeiro 2016

„Eigentlich kann das gar keiner machen, der selbst noch aktiv ist“ Bundestrai­ner der Säbelfecht­er, über die Aufgaben von Max Hartung im DOSB MANNSCHAFT DES JAHRES 2017

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FOTOS (2): DPA Man sieht ihm an, wie es hinter der Stirn arbeitet: Max Hartung nach seinem Ausscheide­n im Achtelfina­le der Weltmeiste­rschaften von Leipzig. „Das war reine Kopfsache, Max hat das Fechten ja nicht verlernt“, sagt Bundestrai­ner Vilmos Szabo über seinen...
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Max Hartung und DOSB-Generalsek­retär Michael Vesper (v.r.).

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